Donnerstag, 25. September 2008

„Also, eigentlich wollen wir die Satzungsänderung nicht!“

Im Fan-Projekt wurden die Supporters auf die Mitgliederversammlung des KSC eingestimmt – und darüber informiert, daß jede Stimme wichtig sein dürfte.

Klar – bevor es losging, war unter den am Dienstagabend ins Fan-Projekt gekommenen Supporters noch immer die Niederlage beim VfB Stuttgart das bestimmende Gesprächsthema – blaue Flecken wurden rapportiert und waren Verwunderung und Zorn über die ungewöhnliche Abseitsinterpretation vor dem 2:1 unvermindert hoch.

Anlaß der Zusammenkunft waren jedoch nicht die Ereignisse des Derby-Sonntages, sondern das traditionell trockenste Brot im Leben eines Vereins – die am kommenden Montag stattfindende Mitgliederversammlung. Nach den sportlich wie wirtschaftlich sehr erfolgreichen Aufräum- und Aufbaujahren der jüngsten Vergangenheit sollte eigentlich ein entspannter Konvent anstehen. Tja, sollte. Gäbe es da nicht einige Altlasten, die den KSC vielleicht in Turbulenzen stürzen könnten – und am Montag erwartbar zumindest in ausufernde Diskussionen münden werden.

Nie wieder ein Schmider!

Zu diesen Altlasten zählt – nach Meinung mancher Mitglieder – eine Bestimmung in der Vereinssatzung, welche die Amtszeit eines Präsidiums auf neun Jahre begrenzt. Demzufolge sind nach der Erstwahl nur zwei Wiederwahlen zulässig – und danach ist automatisch Schluß. Unter dem Schock des rasanten Niedergangs unter Ex-Präsident Roland Schmider in den letzten Jahren des alten Jahrtausends war dieser Passus als Teil einer in sich stimmigen Gesamtreform in die KSC-Satzung aufgenommen worden. Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte wird er volkstümlich noch immer „Schmider-Verhinderungs-Paragraph“ genannt. Nie mehr wieder sollte ein KSC-Präsidium in die Gefahr geraten, aufgrund einer langen Amtszeit (Schmider war nahezu 26 Jahre Präsident) Züge von „Despotie“ (so ein Versammlungsteilnehmer) zu entwickeln und die von den Mitgliedern verliehene Verantwortung allzu selbstverständlich zu interpretieren. Ein kräftiges Durchlüften des Vereinsgebildes nach längstens neun Jahren schien hierzu die beste Gewähr zu bieten.

Nun ist es allerdings so, daß der KSC, nach dem fahrlässig agierenden Wolfgang Dietrich und der erfolgreichen Übergangslösung Gerhard Seiler, mit dem Triumvirat Hubert Raase, Michael Steidl und Rainer Schütterle über eine ebenso harmonische wie besonnene und erfolgreiche Führungsspitze verfügt, der mit Raase und Steidl aufgrund der Satzungsbestimmung bald zwei wichtige Protagonisten wegbrechen würden. Zudem läßt der Dritte im Bunde, Ex-Spieler Schütterle, keinen Zweifel daran, einem anders besetzten Präsidium ebenfalls nicht mehr angehören zu wollen.

Angst vor der eigenen Courage

Daher ist man gerade in der aktiven Fan-Szene, auf deren Engagement die Amtszeitbegrenzung von 2001 zurückgeht, hin- und hergerissen. Einerseits hat man nun endlich ein Präsidium, dem man vertraut und das sich erstaunlich uneitel in den Dienst der Vereinsinteressen stellt – aber andererseits ist die durch das Schmider-Drama ebenso sozialisierte wie traumatisierte KSC-Generation überzeugt davon, daß künftige Mißbräuche kaum auszuschließen sind. Treffend formulierte es der Supporters-Vorsitzende Martin Löffler: „Jede Euphorie kann mißbraucht werden!“ Also wurde am Dienstag ins Fan-Projekt eingeladen, um den Supporters die Gemengelage darzustellen und das Abstimmungsverhalten für den kommenden Montag, an dem die Wiederwahlbegrenzung u.a. ersatzlos gestrichen werden soll, auf eine solide Basis zu stellen.

Die etwa 80 erschienenen Teilnehmer (unter ihnen Vereinsrat Uli Lange und Verwaltungsrat Guiseppe Lepore) erlebten eine erfreulich konzentrierte und sachliche Veranstaltung, die darüber hinaus von einer erstaunlichen Disziplin aller Teilnehmer getragen wurde. Weder wurde polemisiert noch zwischengerufen oder sich dem Tratsch mit dem Sitznachbar hingegeben. Ein Indiz dafür, wie wichtig das Thema für die Fan- und Mitgliederszene ist. Unter Leitung von Martin Löffler, Tom Beck und besonders Dieter „Rio“ Gläser wurden die auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung stehenden Anträge vorgestellt. Neben der ersatzlosen Streichung (Antrag Götz) stehen die Anträge, eine viermalige Wiederwahl zu ermöglichen (Antrag Kadelke/ Lange) sowie – von den Supporters selbst eingebracht – in Ergänzung der zur Zeit gültigen Regelung, „in einer besonderen Situation ist eine weitere Amtszeit zulässig. Diese besondere Situation muß von der Mitgliederversammlung mit einer 2/3-Mehrheit vorher erklärt werden.“

Sehr zufrieden mit Raase & Co.

Entschieden wurde darauf verwiesen, daß man sich an den „aktuell laufenden Ränkespielen“ nicht beteiligen möchte. Diese Feststellung bezog sich auf die langsam ans Licht kommenden Meinungsverschiedenheiten im Verwaltungsrat, die dem Eigeninteresse nicht nur eines Mitgliedes dieses Kreises geschuldet sein sollen, das jetzige Präsidium bald selbst ablösen zu können – und die hierzu auf das Vehikel des „Prinzips“ und auf eine vorgebliche Solidarität mit den Grundintentionen der Fan-Basis zurückgreifen. Rasch wurde klar, daß die Supporters mit den aktuellen Amtsträgern sehr zufrieden sind und vorhandene Schwächen akzeptieren. Aus dieser Haltung heraus entstand auch der eigene Antrag, der Raase & Co. wohl signalisieren soll, daß es in dieser Frage nicht um den Ausdruck eines Mißtrauens gegen dasselbige geht, sondern um die Sache an sich – also um eine Sachentscheidung für den KSC und dessen sichere Zukunft, unabhängig konkreter Personen.

Daher gestanden die Anwesenden auch den Anträgen „Götz“ und „Kadelke/ Lange“ nicht nur ihre volle Berechtigung, sondern auch jeweils gute Gründe zu. Sehr deutlich wurde aber auch, daß die Supporters mit Bewunderung auf den „Supporters-Club“ des Hamburger SV schauen, der sich dort ein beeindruckendes Mitspracherecht erarbeitet hat. Nichts geht ohne ihn und seine Mitglieder. Es ist schmerzlich für die Karlsruher, daß dem gegenüber ihr Einfluß und Gehör mit dem zunehmenden Erfolg des KSC der letzten Jahre zuletzt mehr und mehr geschwunden war und man sich vom Verein in Anbetracht der Verdienste in Krisenzeiten oft nicht mehr gerecht wahrgenommen und behandelt fühlte. „Einerseits gab es Mißstände, aber andererseits sind die meisten Dinge auch sehr gut gelaufen“, formulierte es „Rio“ Gläser.

Wehret den Anfängen – für „50+1“

Neben dem zentralen Punkt der Wiederwahlmöglichkeit des Präsidiums wurde allerdings noch über die weiteren Satzungs-Anträge informiert. So über die Rechenschaftspflicht des Vereinsrates (bislang nur fakultativ, Antrag Kadelke), den Kölmel-Antrag (Offenlegung und Genehmigungspflicht von Manager- und Spielergehältern, Offenlegung wirtschaftlicher Verbindungen von Präsidiums- und Verwaltungsratsmitgliedern mit dem Verein), sowie schließlich in die Satzung aufzunehmen, daß selbst bei einer Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung der Verein – und damit seine Mitglieder, kein „Investor“ – die Mehrheit an der neuen Gesellschaft halten muß. Sollte der „Kölmel-Antrag“ in seiner Gesamtheit scheitern, schlossen die Supporters übrigens nicht aus, im kommenden Jahr die Frage nach den wirtschaftlichen Querverbindungen mittels Antrag neu zu stellen. Daß der erste Teil der Kölmel-Initiative den Verein handlungsunfähig machen würde, wurde hingegen offensichtlich.

Positives Fazit

Ebenso offensichtlich wurde an diesem Abend, wie sinnvoll eine solche Informationsveranstaltung sein kann. Die Gesprächsleitung hat eine sachliche und informative Orientierung im Wust der Verflechtungen und Interessen geschaffen, die bislang gefehlt hat. Daß dies so gelungen ist, beweist deren Notwendigkeit. Bemerkenswert war auch die Information, daß das Wiederwahlproblem möglicherweise noch gar nicht akut sein könnte. Denn juristisch gilt es als keineswegs ausgemacht, daß Präsident Raase, der einst vorzeitig ins Amt gekommen war, im nächsten Herbst tatsächlich nicht doch noch ein weiteres Mal antreten könnte. Selbst auf Vereinsseite herrscht hierüber Unklarheit. Dies ist bedauerlich, da mit einer verläßlichen juristischen Bewertung ein gerüttelt Maß Luft aus dem Kessel genommen werden könnte.

Es wäre ein absoluter Gewinn für Fans, Mitglieder und sogar Verantwortliche des Vereins selbst, wenn man auch künftig zur Meinungsbildung nicht nur auf die Lokalpresse und das Internet angewiesen wäre. Auf die Leute zugegangen zu sein, sie mitgenommen und sie nicht nur als willfährige Stimmengeber betrachtet zu haben – hierfür gebührt den Supporters ein herzliches Dankeschön!

Matthias Dreisigacker

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