Donnerstag, 31. Dezember 2009

Personalien (und Räuberpistolen)

Rolf-Dieter Hauer ist verärgert als ich ihn am Dienstag vormittag in seinem Büro erreiche. Die BNN meldeten am Morgen den angeblichen Handschlagvertrag zwischen Paul Metzger und Demir Hotic, der nach deren Informationen den Posten des Sportdirektors im Wildpark beansprucht und bereits einen Anwalt in der Angelegenheit beuftragt hat. Die Sachlage scheint erneut eindeutig zu sein und ist der derzeit übliche Sturm der Entrüstung in den einschlägigen Internetforen bereits in vollem Gange. Einmal mehr steht der umstrittene KSC-Präsident im Verdacht, in einer sensiblen Personalentscheidung die nötige Sorgfalt und Diskretion vermissen zu lassen, erneut steht die KSC-Führung äußerst unglücklich in der Öffentlichkeit da.

Es werde derzeit „viel dummes Zeug“ geschrieben, kommentiert Hauer das „Verwirrspiel“ (BNN) um diese Personalie. Aber was ist war denn nun los? „Gerald Porsch, ein Unternehmensberater aus Kaiserslautern, machte dem KSC vor etwa 3 Wochen Angebot über die Vermittlung eines Hauptsponsors für zwei Jahre gegen die marktübliche Provision, verbunden mit der Bedingung, den derzeit arbeitslosen Ex-Profi Demir Hotic als Sportdirektor einzustellen“, so Hauer. Das konkrete Angebot? Bemerkenswerte sieben (!) Millionen Euro bei einer Laufzeit von zwei Jahren wolle die Firma Gazprom dem KSC zur Verfügung stellen – viel Geld für den klammen Zweitligisten. Trotz der zweifelhaften Verknüpfung zweier Geschäftsvorgänge Grund genug für das skeptische Präsidium, mit Porsch und Hotic zunächst einmal das Gespräch zu suchen.

So trafen sich KSC-Präsident Paul Metzger und Vize Arno Glesius in einem Ettlinger Hotel mit dem Duo aus der Pfalz, tauschte sich aus, sprach über Mögliches, wägte dieses und jenes ab, zeigte sich angesichts der im Raum stehenden Summe weiter gesprächsbereit und gab sich mit Sicherheit auch zum Abschied die Hand. Dazu Arno Glesius: „Bedingung war klipp und klar eine schriftliche Zusage des Hauptsponsors in Verbindung mit einer Bankbürgschaft. Erst der Vertrag mit dem Hauptsponsor, dann erst Gespräche über einen Vertrag mit Hotic.“ Doch der sah sich bereits in Amt und Würden. Der Vizepräsident betont, dass sich Hotic per schriftlicher Bewerbung in das normale Bewerbungsverfahren einreihen sollte. Die Bewerbung kam, dazu ein Angebot über einen Vermarktungsvertrag mit Porsch - doch eine Bankbürgschaft liegt dem Präsidium bis heute nicht vor, ein Geschäfts- oder gar Arbeitsverhältnis mit dem Verein schon gar nicht. Enttäuscht von dieser Entwicklung suchten die potentiellen Geschäftspartner die Öffentlichkeit.

„Derzeit läuft das Bewerbungsverfahren wie geplant, wir werden in diesen Tagen mit den vier in der Auswahl verbliebenen Bewerbern Gespräche führen und in Kürze einen Sportdirektor präsentieren“ so Glesius. Einen Vertragsabschluss per Handschlag schließt er kategorisch aus, da „wir hier über eine Führungskraft sprechen, deren Arbeitsplatzbeschreibung, Kompetenzen und Bezüge genauestens festgelegt werden müssen, auch und gerade in enger Abstimmung mit denen des kommenden Kaufmännischen Leiters.“ Glesius fährt am Sonntag mit der Mannschaft ins Trainingslager nach Belek, zu den Wechselgerüchten um Dripic und Miller bestätigt er lose Anfragen. Er verweist auf die üblichen Vorgänge in der Transferperiode und betont, dass bei konkreten Angeboten in Absprache mit Trainer Markus Schupp durchaus Vereinswechsel in der Winterpause möglich seien.

Montag, 28. September 2009

Unser KSC

Gastbeitrag des Vorsitzenden der Supporters Karlsruhe e.V. Martin Löffler zur Wahl des KSC-Präsidenten am Mittwoch

In 2 Tagen findet die Mitgliederversammlung unseres KSC statt, in der ein neues Präsidium gewählt werden wird. Eigentlich ein ganz normaler Vorgang, der sich alle 3 Jahre wiederholt. Zur Normalität gehört meiner Meinung nach aber mittlerweile leider auch, dass professionelle Strukturen nicht vorhanden sind, was unter anderem an der Lachnummer „Stadionum- oder neubau“ abzulesen ist.

Auch ich wurde im Vorfeld von einigen Freunden angesprochen, dass ich kandidieren soll. Dieses Vertrauen ehrt mich natürlich, aber mit meinem Beruf als freigestellter Gesamtbetriebsratsvorsitzender der BBBank sowie meiner Tätigkeit als erster Vorstand der Supporters Karlsruhe lässt sich diese Tätigkeit nicht in Einklang bringen. Im KSC-Präsidium werden Arbeiter benötigt, die viel Enthusiasmus, Engagement und natürlich Zeit mitbringen müssen, um den Verein professionell auf die Beine zu stellen. Die Zeit der Sonnenkönige ist vorbei, wir brauchen ehrliche und offene Macher, die sich darüber im Klaren sind, die gewaltigen Aufgaben nur gemeinsam mit weiteren Gremien und Mitgliedern bewältigen zu können. Noch fehlt es an klaren Strukturen, den Willen, zu delegieren, eine definierte Personalentwicklung im sportlichen wie im organisatorischen Bereich, eine angemessene Außendarstellung sowie adäquate Sponsorenbetreuung.

3 Kandidaten haben sich für das Amt des Präsidenten beworben:
Rolf Kahn, Siegfried König und Paul Metzger

Rolf Kahn ist vielen nur als Vater von Oliver Kahn bekannt. Tatsächlich sah er seinen Beruf und seine Berufung bisher ausschließlich als Manager seines Sohnes Olli Kahn. Die Vermarktung dieses außerordentlich ehrgeizigen Ausnahmetalents ist an sich schon fast ein Selbstläufer. Mindestens aber die Konzentration auf eine einzige Person spricht nicht für die Erfahrungswerte, die der zukünftige Präsident braucht, um die zahlreichen Kommunikationskanäle zur Stadt, den Abteilungen im Verein, den Fans und Sponsoren zu gestalten.

Wäre Ollis Adressbuch allein ein Erfolgsgarant, hätten bereits sein Bruder und auch der Vater selbst bei Ihren bisherigen Unternehmungen profitiert. Doch weder Druckerei-, Diskotheken-, Sonnenstudio oder Fußball-Hallen-Unternehmungen wurden dadurch erfolgreich. Ein Name und eine Visitenkartensammlung machen noch keine Vision, kein Programm, keine Struktur. Also all dies, was der Verein KSC so dringend benötigt. Die Nähe zu den Kreisen des bisherigen Managements lassen wenig Veränderung für die Zukunft erhoffen. Wenn der klangvolle Name Kahn aber eher als Ludwig(s) beim KSC ankommt, kann man sich Neuwahlen auch sparen.

Siegfried Königs Bereitschaft, sich den immensen Aufgaben der Zukunft zu stellen, lässt sich leicht daran ablesen, dass er letzte Woche zuerst seinen Rücktritt von der Kandidatur überall bekannt gab und Stunden später seinen Rücktritt vom Rücktritt mitteilen ließ. Wankelmut ist genau das, was die Möglichkeiten des KSC in den letzten Jahren ungenutzt ließ. Seine Qualifikation der Nähe zur Stadtverwaltung kann leicht zum Bumerang werden, wenn man weiß, dass diese einer der größten Gläubiger (Mietstundungen in Millionenhöhe) des Vereins ist. Wer tritt im Zweifelsfall schon seinen jahrelangen Kollegen bei Verhandlungen auf Augenhöhe mit starkem Rückgrat entgegen.


Paul Metzger war der Erste, der als Kandidat für ein Amt im Präsidium in Erscheinung trat. Als Oberbürgermeister der Stadt Bretten ist er als ein Mann der Tat bekannt. Unterstützung erhält Paul Metzger zudem vom ehemaligen OB der Stadt Karlsruhe und Altpräsidenten des KSC Prof. Dr. Gerhard Seiler. Er hat in seiner Amtszeit bewiesen, dass er bürgerschaftliches Engagement fördert und damit geldwerte Vorteile auch abseits von Kontobewegungen erringen kann. Neben seinen eigenen Kontakten und Fähigkeiten brauchen wir genau eine solche uneitle, effiziente und mitgliederorientierte Moderationsfähigkeit an der Spitze des KSC! In diesem Rahmen werde ich mein Engagement wohl eher mit statt trotz des Präsidiums weiter einbringen können. Wir dürfen es angesichts des erheblichen Aufholbedarfs nicht dem Zufall überlassen, wer KSC-Präsident wird.

Die örtliche Presse kürzt die Aussagen von Herrn Metzger in bedenklichem Ausmaß, wie sie seit Jahren eine neutrale Berichterstattung vermissen lässt. Aus diesem Grund will ich Euch die nachfolgende Internetseite ans Herz legen, die das ganze Interview abgedruckt hat :
http://paulmetzger.wordpress.com/

Macht Euch also selbst ein Bild von Paul Metzger. Ich würde mich freuen, wenn Ihr zum gleichen Entschluss kommt und ihm Eure Stimme gebt. Gleichzeitig bitte ich alle unter Euch, denen der KSC am Herzen liegt, noch Mitglied zu werden und bei der MGV am 30.09.09 Paul Metzgers Kandidatur zu unterstützen. Ein entsprechender Mitgliedsantrag sollte spätestens am Montag beim KSC sein. Emailadresse, Postadresse oder Faxnummer entnehmt Ihr bitte dem Antrag.


Hoffnungsvolle Grüße,
Martin Löffler

Sonntag, 30. August 2009

KSC - St. Pauli 0:4

Gellende Pfiffe bereits während des Spiels, lautstarke „Dohmen raus!“-Rufe, die nicht mehr einer Minderheit der üblichen Verdächtigen angelastet werden können und Spieler, die sich von wütenden Zuschauern provozieren lassen: Es wird immer enger für die Mannschaft und ihre Verantwortlichen im Wildpark. Das Versäumnis, nicht bereits in der vergangen Saison eine Korrektur des sportlichen Kurses vorgenommen zu haben, belastet nun schwer die Akteure auf und neben dem Spielfeld, zu offensichtlich waren bereits vor Monaten die sportlichen und strukturellen Probleme des KSC, als dass der Verein nun auf die Nachsicht des Anhangs im Angesicht des fortwährenden Mißerfolgs hoffen dürfte.

Hatte die Entlassung von Becker und die darauf folgende Trainingswoche unter Kauczinski mit dem Sieg in München scheinbar einen befreienden Effekt auf das fußballerische Potential der Mannschaft, zeigte sich nun im Spiel gegen St. Pauli, dass es wohl mehr wie die von Vizepräsident Steidl wiederholt geforderte „Geduld“ benötigen wird, um die hoch gesteckten Ziele zu erreichen und die Erwartungen des Umfeldes zu befriedigen. Zur Erinnerung sei hier angemerkt, dass noch vor gut vier Wochen die sportliche Leitung Zuversicht und Optimismus zum bevorstehenden Saisonstart demonstrierte, einen Platz im oberen Tabellendrittel als Saisonziel ausgab und - trotz der einschlägiger Erfahrungen in der Vergangenheit - 20.000 Aufkleber mit der Parole „Aufstiegszone – durchstarten erlaubt“ bedrucken ließ.

Die bescheidenen Mittel jedoch, die der „Interimstrainer“ seinem Team in den wenigen Tagen seiner Amtsführung mitgeben konnte, reichten nicht aus, um mit einer enorm selbstbewussten, vor allem in ihrer Spielstärke beeindruckenden St. Pauli-Mannschaft über die volle Distanz zu konkurrieren. Gelang es in München durch vertikale Pässe in der Sturmzentrale für Torgefahr zu sorgen, stellten diese am Freitag für die wachsame Hamburger Innenverteidigung kein Problem dar. Zaghafte Versuche, stattdessen über die Flügelpositionen ein Spiel aufzuziehen, scheiterten an der dort schnell hergestellten Überzahl des Gegners. Betrachtet man die vier gelungenen Aktionen des KSC in diesem Spiel, davon je zwei vor und nach der Halbzeitpause, lässt sich ableiten, woran es gemangelt hat: Laufbereitschaft im Spiel ohne Ball, Antizipation, Schnelligkeit und Präzision. Eine Einzelkritik verbietet sich, denn: Versagt das Kollektiv derart geschlossen spielt es keine Rolle wer nun mehr oder weniger unter seinen Möglichkeiten bleibt.

So nahm Kauczinksi seine Mannschaft nach dem Spiel zwar gegen Vorwürfe in Schutz, es habe ihr am Willen gefehlt, sprach aber deutlichst die Probleme und Aufgaben an, die einen zukünftigen Übungsleiter im Wildpark erwarten. „Vieles in dieser Mannschaft ist nicht gefestigt. Da gibt es keine Strukturen oder Hierarchien, wo man ansetzen kann. Dieses Team braucht Zeit und ein neuer Trainer braucht Geduld, um diese Mannschaft, die durchaus Potential hat, zu formen und entwickeln“. Es ist der „Interimstrainer“, der endlich offen die Folgen der monatelangen Fehlentwicklungen anspricht und der damit indirekt auch Erwartungen und Ziele des Vereins korrigiert. Für die kommenden Wochen wäre es nicht das Schlechteste diese auch von offizieller Seite neu zu bestimmen, denn wo zunächst Grundlegendes neu erarbeitet werden muss sollte man sich zuerst einmal nach unten hin absichern.

Mit Ede Becker ist bereits ein Verantwortlicher des sportlichen Status Quo seines Amtes enthoben, der andere, Rolf Dohmen, sucht derzeit immer noch nach einem neuen Cheftrainer. Ob er, der entgegen aller Warnungen und Kritik aus Umfeld und Verwaltungsrat während der letzten Saison an seinem Kurs festhielt, in Erwartung der bevorstehenden Neuwahlen des Präsidiums der richtige Mann für diese richtungsweisende Aufgabe ist, darf mehr als stark bezweifelt werden. Zunächst einmal sollten die Mitglieder in der Führungsfrage entscheiden und bis dahin Markus Kauczinski weiter das Training leiten. Das dürfte mit Sicherheit auch der DFL zu vermitteln sein.

Dienstag, 25. August 2009

1860 München - KSC 1:3

„Ich weiß schon, was ich will, welchen Fußball ich sehen möchte.“ Es liegt in dieser Aussage wahrscheinlich eben jener Unterschied begründet, den Markus Kauczinskis Arbeit zu der Ede Beckers ausmacht – die sich zuletzt eher in dem Satz „Ich weiß schon, wen ich Fußball spielen sehen möchte“ zusammenfassen lässt. Wer diese Woche die Trainingseinheiten nach der längst überfälligen Entlassung des „treuen“ aber erfolglosen Cheftrainers beobachtet hat, dürfte während des Spiels gegen die Münchner Löwen das eine oder andere Déjà-vu-Erlebnis gehabt haben.

Immer wieder ließ Kauczinski in den letzten Tagen das Verschieben mit und gegen den Ball, das Annehmen und direkte Weiterspielen, die langen Bälle in die Spitze üben. Immer wieder schaltete er sich direkt in die Übungsformen ein und stoppte diese, sobald die Konzentration bei dem einen oder anderen Akteur nachließ. Glasklare Ansagen, konstruktive und vor allem zeitnahe Kritik und immer wieder der Hinweis auf bessere Lösungsmöglichkeiten für die gerade vorliegende Spielsituation mit direktem Bezug zum erwarteten Spiel der Münchner kamen bis hinter den Zaun des Trainingsplatzes an, und somit wohl auch in die Köpfe der Spieler. Bis in das Abschlusstraining hinein testete Kauczinski verschiedene personelle Varianten in Mittelfeld und Abwehr, sodass sich kein Spieler ob des sicheren Platzes in der Startelf mit dem Kopf anderen Dingen zuwenden konnte.

Konzentration, Antizipation, Schnelligkeit und sauberes Spiel forderte der „Interimstrainer“ wiederholt von seinen Spielern ein, und deutlicher als durch das Gegentor konnte es gestern seinen Schützlingen wohl nicht vor Augen geführt werden, wohin es führt, fehlt nur einer dieser Parameter im eigenen Spiel. Mit dem schlampigen Ballverlust von Stindl, dem verspäteten und halbherzigen Einrücken von Demirtas sowie dem wiederholt lustlosen Stören von Dripic wird sich die Mannschaft heute in der Nachbetrachtung sicher noch einmal auseinandersetzen müssen. Beherzigten sie aber die genannten Tugenden, schien auf einmal eine Mannschaft auf dem Platz zu stehen, die erstmals seit langem eine kollektive Idee vom systematischen Erreichen des Torerfolgs hatte und in der die einzelnen Akteure sich ihrer individuellen Aufgaben bewusst waren.

Inwiefern dieses neue Auftreten der Mannschaft nun tatsächlich auf die Arbeit von Kauczinski zurückgeführt werden kann, und/oder welchen Anteil die „Befreiung“ vom in der Mannschaft zuletzt ungeliebten Ex-Trainer für das gezeigte Engagement hatte, bleibt vorerst offen. Fakt ist jedenfalls, dass die Umstellungen gegriffen haben, der Systemwechsel auf 4-4-2 das Offensivspiel für den Gegner wesentlich unberechenbarer machte und es dem KSC im Spiel gegen den Ball gelang, die Räume effektiv zu verengen. Und auch neben dem Platz konnte Kauczinski durch schlichte aber klare Aussagen, die eher die eigenen Stärken als die des Gegners unterstrichen und kaum für die Mannschaft als Alibi taugten, überzeugen.

Ganz im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten Rolf Dohmen. Der mittlerweile physisch vom Kampf um seinen Job immer deutlicher gezeichnete Manager sorgte bereits vor dem Spiel für Irritation, als er erneut und wider aller Erkenntnisse der letzten Wochen in „mangelnder Geschlossenheit“ den hauptursächlichen Grund für den sportlichen Niedergang der letzten Monate ausmachte. Zur Halbzeitpause verlor er dann kurzfristig die Fassung ob des erstaunlich gut vorbereiten Sky-Reporters, der die auf der Hand liegende Frage formulierte, warum Christian Timm in den letzten zwei Jahren nicht einmal als Sturmspitze eingesetzt wurde.

Dass Dohmen nun mit dem Anforderungsprofil „Er muss sich mit dem KSC identifizieren, Strukturen akzeptieren und darf nicht gleich neue Spieler fordern“ auf Trainersuche geht, zeigt mehr als deutlich, dass es in der sportlichen Leitung mit einer selbstkritischen Aufarbeitung der letzten Monate nicht weit her ist. Hier wird nicht nach einem kreativen Kopf gesucht, dessen tägliche Arbeit auf dem Trainingsplatz unter Umständen auch personelle und strukturelle Konsequenzen nach sich ziehen würde, sondern nach einem Sachzwangverwalter, der sich in die bestehenden Verhältnisse möglichst geräuschlos einzufügen bereit ist. Und sein Gesichtsausdruck eines beim Wassereisklauen erwischten Schulbubs auf die Frage, ob Petrik Sander ein Thema für den KSC sei, dürfte dem einen oder anderen KSC-Fan in Schrecken versetzt haben.

Das Rücktrittsangebot Dohmens, sollte es denn, wie „exclusiv“ im sky-Interview gestern verkündet, tatsächlich vor sechs Wochen vom Präsidium abgelehnt worden sein, stellt in diesem Zusammenhang eine weitere, fahrlässig vergebene Chance auf einen tatsächlichen Neuanfang dar. Zu hoffen bleibt derzeit nur, dass es tatsächlich durch eine Terminverschiebung zu einer satzungsgemäßen Mitgliederversammlung noch im September kommt, bei der zunächst die Verhältnisse im Verein geklärt werden könnten, bevor hier eine am Ende ihrer Möglichkeiten angekommene Vereinsführung noch Verträge unterzeichnet und damit Weichen für eine Zukunft stellt, die bald auf einem Abstellgleis endet.

Montag, 10. August 2009

KSC - Alemannia Aachen 1:1

Die erste Misstimmung kam im Wildpark bereits vor dem Anpfiff auf, ungewohnt lange mussten die umsitzenden Zuschauer auf ihr Bier anstehen, überforderte Arbeitskräfte an den Zapfstationen verweigerten den durstigen Seelen sogar das gewünschte Colabier – „Des isch mir jetzed zu schtressich!“. Zugegeben, ungewohnt heiß gab sich der erste Spieltag der Zweiten Liga, dennoch möchte man lieber nicht wissen, wieviele Euro statt im Wildpark in den Taschen der Anhänger blieben. Aber wer weiß schon, für was das gut war.

Denn recht bald nach Anpfiff benötigte das Publikum seine geschärften Sinne, um sich nicht in der vergangen Saison zu wähnen. Gerade mal zwei der insgesamt acht Neuzugänge (darunter mehrere Wunschspieler der Sportlichen Leitung und Kräfte, um deren Verpflichtung wochenlang gerungen wurde) durften von Beginn an aufs Feld, und Schäfer auf links sowie Tarvarjärvi allein in der Spitze taten alles daran, sich schnell in das aus dem letzten Bundesligajahr gewohnte Bild auf dem Rasen zu fügen. Fehlen Tarvajärvi eigentlich nur noch die langen Haare, um dem legendär glücklosen Australier nicht nur in Motorik sondern auch in der Physis vollends zu gleichen, sind es bei Schäfer leider die aus Mut zum Zweikampf bei Ballbesitz hervorgegangen offensiven Akzente, die Christian Eichner - trotz aller Unzulänglichkeiten dabei - auszeichneten.

So lief das Spiel, in der Anfangsphase vom Engagement Alexander Iashvilis getragen, zunächst wie gewohnt mit guten Ansätzen, verflachte aber bald auf Seiten des KSC durch die strukturelle Beschränkung auf die Defensive. Die von Becker später kritisierten ungenauen Zuspiele resultierten immer wieder aus einem Mangel an Anspieloptionen und Laufarbeit in der gegnerischen Hälfte, letztendlich an zuwenig Personal vor dem Ball. So hatten es die Aachener keine größere Mühe ihr Spiel zu machen, nämlich geduldig auf einen Fehler der Gastgeber zu warten.

Und es war erneut ein Rückstand, der Becker zum Handeln zwang, ein Umstand übrigens, der seiner Wahrnehmung als aktiver Lenker der Karlsruher Geschicke nicht gerade förderlich ist. Bereits zum Ende der ersten Halbzeit deutete Christian Timm sein bekanntes Phlegma mehr als deutlich an, auf seiner Position bestand in der Pause längst Handlungs- und somit Wechselbedarf. Die Schlussviertelstunde zeigte dann deutlich: in diesem Spiel wäre mehr dringewesen.

Aber nicht nur im Personal, seiner räumlichen Ordnung und der Dramaturgie der Spiels waren Paralellen zur vergangenen, erfolglosen Runde auszumachen, auch die Äußerungen von Ede Becker im Vorfeld des Spiels gemahnten an überwunden erhoffte Tage. Den Gegner stark reden („Diese Alemannia kann aufsteigen“), die eigene Initiative schwächen („Wir dürfen uns nicht auskontern lassen“) und Kritik an der eigenen Arbeit diskreditieren („Kritik ist legitim. Aber es darf nicht ins Extreme abdriften. Das ist wohl auch der Zahn der Zeit“) waren schon im Abstiegsjahr die immer wiederkehrenden Inhalte der Verlautbarungen des Cheftrainers.

Sonntag, 7. Juni 2009

Rückfälle

Zur Diskussion hier ein Leserbrief, nicht nur an den Blog C3, zum Abstieg des KSC. 

Vor nicht all zu langer Zeit stieg der 1. FC Kaiserslautern völlig überraschend aus der 1. Bundesliga ab, woraufhin fast alle Spieler dennoch dem Verein die Treue hielten, ein Jahr später den Wiederaufstieg schafften und sensationell Deutscher Meister wurden.

Parallelen zu Karlsruhe 2009 gibt es leider keine: Die für den Misserfolg primär Verantwortlichen, nämlich die Spieler, schauten, dass sie nach Söldner-Mentalität möglichst schnell einen neuen Brötchengeber fanden. Heuchelei pur waren die Krokodilstränen von Kapitän Franz und dem selbsternannten Führungsspieler Eichner (Kommentar vor Fernsehkameras nach dem letzten Spiel: „Die Mannschaft hat phantastische Arbeit geleistet!“…!), die nach unzähligen Treuebekundungen zum KSC, für den ihr Herz unglaublich schlägt, als Erste das sinkende Schiff verließen. 

(...)

Nach dem sicherlich vermeidbarsten aller Abstiege ergeben sich naturgemäß zahlreiche weitere Fragen, die zumindest kurz angerissen werden sollen:

  • Wieso schaffen es zahlreiche Spieler nicht dauerhaft, beim KSC gute Leistungen wie bei ihren vorangegangenen Vereinen zu bringen (Iashvili, Timm, Kennedy, Buck, Sebastian)?

  • Wie erklären sich die überdurchschnittlich vielen Verletzungen von Karlsruher Spielern?

  • Wenn der Trainer in der vergangenen Winterpause in einem Interview äußert, er müsse seine Mannschaft nicht motivieren, dies sei Aufgabe der Spieler selbst, scheint er mir bezüglich der Einstellung der jetzigen Generation nicht ganz auf dem Laufenden zu sein. Der KSC liefert seit 18 Monaten dementsprechende Leistungen ab.

  • Wenn von vier Wintereinkäufen drei totale Flops sind, können die dafür Verantwortlichen (Scouts, Manager) nicht viel richtig gemacht haben. Oder?

  • Wenn bei hochinteressanten Fragen, wie z. B. der Farce vom seit gefühlten Jahrzehnten geplanten Stadion-Neubau oder auch bei der Verstrickung von Ex-Spielern in Wettskandale stets nur „kein Kommentar“ zu hören ist, muss die Frage nach adäquater Öffentlichkeitsarbeit gestellt werden dürfen. Der Pressesprecher verbringt seine kostbare Zeit ohnehin lieber damit, bei Sportredaktionen telefonisch nachzufragen, ob und wann unliebsame Karlsruher Journalisten bei KSC-Auswärtsspielen Schreib-Aufträge haben, was ich am eigenen Leib erleben durfte und sensationell daneben fand und finde.

  • Fast die gesamte Karlsruher Presse nimmt ihre Kontroll- und Kritikfunktion gegenüber dem KSC nicht oder kaum wahr. Lieber ist man freundschaftlich mit den Vereinsverantwortlichen verbunden, fühlt sich als Teil der Handelnden, die ihre Gunst dem Großteil der Journalisten mit der Teilnahme an Abläufen, exklusiven Interviews und persönlichen Vorteilen erweisen – als Dank für Parteilichkeit und Hofberichterstattung. Peinlich finde ich regelmäßig erscheinende Hetzartikel in Richtung Stuttgart und Hoffenheim, wobei man verkennt, dass dort einfach deutlich besserer Fußball gespielt und im Umfeld effektiver gearbeitet wird.

Dass im Erfolg die größten Fehler gemacht werden, ist eine Binsenweisheit. Der KSC hat aus fünf Abstiegen nichts gelernt und 2008/2009 – mit anderem Personal – ähnliche, eher schlimmere Missgriffe als in der Vergangenheit getan. Arroganz, Inkompetenz und das stetige Entfernen von der Realität nach dem Aufstieg wurden einmal mehr mit Rückfällen und Abstieg bestraft – schade für die Fans und die gesamte Region!

Roland Pohl

Samstag, 6. Juni 2009

Wie andere Leute Bierdeckel

Maik Franz verlässt den KSC. Eine Personalie, die den nicht wenigen Romantikern unter den KSC-Fans Schmerzen bereitet, und von der vor allem diejenigen reden und schreiben, denen die die Zukunft des Vereins bestimmenden Entwicklungen der letzten Monate und Herausforderungen der kommenden Wochen keine kritische Berichterstattung, sondern eher wohlwollende Begleitung wert waren und wohl auch sein werden. Harald Linder, der enge Vertraute der Vereinsspitze, widmet diesem Thema am Freitag seinen Sportkommentar im KURIER, freilich ohne auf die kritischen Töne des Ex-Kapitäns zur Entwicklung des KSC hinzuweisen, der sich, so Franz auf seiner Homepage, in den vergangenen drei Jahren nicht weiterentwickelt habe.

 

War zunächst monatelang die Verletzung des Kapitäns einer der stereotypen Verweise, mit denen Niederlagen und Mißerfolg zwar nicht direkt erklärt, so doch gerne entschuldigt wurden, sollte später die Aussicht auf rechtzeitige Genesung des „Eisernen“ die Hoffnung im Wildpark auf den Klassenerhalt nähren. „(...) Ich glaube schon, dass uns seine Verletzung so viele Punkte gekostet hat, dass – hätten wir sie geholt – es gereicht hätte, um in der Liga zu bleiben“ orakelte Ede Becker wie immer unwidersprochen letzte Woche im Gespräch mit dem Badischen Tagblatt. So (ver)blendet der Glanz von „Iron Maik“, zu dessen Strahlkraft übrigens auch die kritischeren Teile unter den KSC-Fans gerne beigetragen haben, noch nach seinem Wechsel die Sicht auf die Dinge, die sich dieser Tage rund um den Wildpark zutragen.

 

Diese scheinen nicht alle ihren gewohnten sozialistischen Gang zu gehen, so sehr sich Präsident Raase, Manager Dohmen oder Trainer Becker auch bemühen, genau dies zu suggerieren. Zur Erinnerung: letzte Woche äußerte sich Raase im KURIER zu den im Vereinsumfeld kursierenden Vorwürfen und Gerüchten, Sponsoren wie die Firma S&G seien verprellt und Darlehen von Förderern aus dem KSC-Freundeskreis seien zurückgezogen worden, erstaunlich dreist: „Die Firma S&G hat viele Werbeverträge gekündigt, darunter auch den Vertrag mit uns. (...) denn auch die S&G muss der gegenwärtigen Situation Rechnung tragen“. Raase weiter: „Unsere Darlehensgeber sind Kaufleute. Wenn man ein solches Darlehen zu diesen Konditionen, die sicher sehr gut sind, kündigt, hat man normalerweise bessere Anlagemöglichkeiten oder braucht dieses Geld.“ Der KSC-Präsident scheut sich also nicht, den Rückzug von Unterstützern des Vereins lapidar mit der „gegenwärtigen Situation“ zu erklären und somit langjährigen Partnern indirekt wirtschaftliche Probleme zu unterstellen.

 

Dabei ist es, und dazu muss man nicht besonders weit in das Umfeld der Funktionsträger, Geschäfts- und Werbepartner des KSC hineinhören, ein offenes Geheimnis, dass Rolf Dohmen sehr wohl mit seinem Maserati endgültig für jene Verärgerung bei der Firma S&G sorgte, die zur Kündigung des Werbevertrages führte. Auch der Rückzug von Darlehen aus dem KSC-Freundeskreis liegt demnach weniger an wirtschaftlichen Problemen der Akteure, als an grundlegender Kritik der Arbeitsweise und den Strukturen auf der Geschäftsstelle, deren Leiter Rolf Dohmen nun einmal ist. Wie andere Leute Bierdeckel, so haben die KSC-Verantwortlichen in der Vergangenheit zahlreiche Konflikte mit Leuten und Institutionen gesammelt, die dem Verein eigentlich wohlgesonnen sind. Ob diese in den nächsten Tagen und Wochen tatsächlich zu Konsequenzen in der personellen Besetzung der Vereinsspitze führen wird, bleibt eine spannende Frage.   

Montag, 1. Juni 2009

Interessante Antworten

Wenn der KSC ruft, ist Harald Linder zur Stelle. Denn im Wildpark hält man zusammen, weil man zusammen gehört. Nachdem in der letzten Woche das erste  Mal die seit Monaten im Umfeld unter Sponsoren, finanziellen Förderern und organisierten Fans grassierende Kritik an der Arbeit von Sportlicher Leitung und Präsidium in Form Matthias Dreisigackers Kolumnen in der RHEINPFALZ und auf  KA-NEWS.DE ihren medialen Ausdruck fand, darf das Interview mit Hubert Raase im KURIER vom letzten Freitag durchaus als direkte Reaktion der Vereinsführung auf die dort formulierten Vorwürfe verstanden werden. Diese jedoch in den grundlegenden Punkten auszuräumen, gelingt dem KSC-Präsidenten in seinen „interessanten Antworten“ (KURIER) auf den Stichwortgeber Linder interessanterweise nicht.

 

So ist das Verhältnis zum Verwaltungsrat tatsächlich nachhaltig zerrüttet, wurden Strukturen den Erfordernissen des Marktes nicht angepasst und die Beziehungen zu langjährigen Unterstützern des KSC sowie möglichen neuen Sponsoren konnten während der Bundesligazeit nicht verbessert werden Im Gegenteil – im Verwaltungsrat vorhandene Kompetenzen wurden und werden von der Führung des Vereins nicht in dessen Sinne genutzt. Öffentlichkeitswirksam wurde der Fall des Verwaltungsrat Lepore, dessen Kritik an dem vorgelegten Vertrag mit dem neuen Ausrüster NIKE Manager Dohmen in die Luft gehen ließ. Lepores Vergehen war dabei lediglich, auf für den KSC nachteilige Vertragspunkte hinzuweisen und Nachbesserung zu fordern – zum Wohle des KSC.

 

Nun sind die Funktionsträger nach einer Bundesligasaison, in der ganze 31 Punkte zum Klassenerhalt gereicht hätten, in der Pflicht, einen stabilen Etat, der die Lizenzvorgaben der DFL erfüllt und einen konkurrenzfähigen Kader für die kommende Zweitligarunde auf die Beine zu stellen. Beides für die Verantwortlichen keine leichten Aufgaben, weil, seriösen Informationen zu Folge, zusätzlich zu den wesentlich geringeren Einnahmen aus der TV-Vermarktung, bisher wichtige Geldgeber mit dem jetzigen Präsidium und Management nicht mehr zusammenarbeiten wollen. So scheinen zumindest Teile des kolportierten 8 Milionen Etats derzeit nicht realisiert.

 

Dieser muss aber zu einem Stichtag der DFL als gesicherter Vertrag vorgelegt werden, dazu steht die Forderung eines zu erzielenden Transferüberschuss. Welche Summen aus den notwendigen Spielertransfers erzielt werden können und ob Spieler wie Toni da Silva, Christian Timm oder Markus Miller die benötigten Summen erlösen, bleibt abzuwarten. Klar ist, der KSC braucht nun dringend Geld, und das wissen auch die anderen Marktteilnehmer - es gibt bessere Verhandlungspositionen. Unter gewissen Umständen müssten Talente wie Stindl, Celozzi und Langkamp verkauft werden – Abgänge, die sportlich wie ideell für den Verein kaum verkraftbar wären.

Sonntag, 5. April 2009

Vor dem Spiel gegen Gladbach

Erklärung der Ultras Karlsruhe zum Heimspiel gegen Gladbach:

"In den letzten Tagen wurde viel geredet, geschrieben und in manchen Zeitungen auch (b)lind und hirnlos geschmiert. Doch was hinter den Kulissen passiert ist, wissen sicher nicht Alle.

Fakt ist, dass der offene Brief der Supporters sowie die Ankündigung der Ultras, unter den gegebenen Umständen den organisierten Support einzustellen, eine Menge Bewegung ausgelöst haben. Bei einigen (leider nicht allen) Verantwortlichen hat ein gewisser Umdenkungsprozess begonnen und es wurden dadurch festgefahrene Strukturen aufgebrochen, die notwendig sind um den geforderten Neuanfang zu ermöglichen.

Zudem hat uns das Präsidium Verbesserungen im Bezug auf die Stadionsverbotsfrage zugesagt.

Aus diesem Grund hat die Ultraszene beschlossen, den organisierten Support gegen Gladbach wieder aufzunehmen. Da sich aber bei weitem noch nicht alle Missstände in unserem Verein geändert haben bzw. überhaupt erst thematisiert wurden, werden wir zu Beginn des Spiels die ersten 10 Minuten schweigen, um ein Zeichen zu setzen, dass wir weiterhin unsere kritische Haltung Aufrecht erhalten werden!

Wir hoffen, dass möglichst viele KSC Fans diese Entscheidung mittragen.

Ein weiterer wichtiger Beweggrund für diese Entscheidung sind die mittlerweile hunderte von Mails und Nachrichten, die wir bekommen haben. Viele KSC Fans haben sich zwar einerseits mit unseren Forderungen solidarisiert, aber dennoch darum gebeten, den Zeitpunkt für diesen Boykott nicht gerade bei diesem wichtigen Spiel zu setzen.

Da auch wir uns der Bedeutung  dieses Spiels bewusst sind und wir uns als Teil der Gegengerade sehen, wollen wir diese Umstände nicht außer Acht lassen.

NEUANFANG JETZT"

Sonntag, 22. März 2009

Bayern München - KSC 1:0

„Der KSC ist vom Glück verlassen“ titelt pflichtschuldig Harald Linder im SONNTAG nach der siebten Niederlage der Becker-Elf in diesem Jahr, und man fragt sich, ob noch andere Vereine der Bundesliga mit einem derart flüchtigen Gut wie Glück ihr Schicksal verbinden. Der Blick auf die Tabelle beweist: wohl kaum. Denn völlig zurecht abgeschlagen, mit 17 Punkten und einer Differenz von - mittlerweile unfassbaren - minus 24 Toren nach 25 Spielen, liegt der KSC auf dem letzten Tabellenplatz. Wer an dieser Lage nicht „Schuld“ ist, nämlich der Trainer, wird dann in den drei, sich dem Spiel widmenden Artikeln zuverlässig wiederholt, damit auch der letzte Leser im Verbreitungsgebiet des badischen Tageszeitungsmonopolisten es kapiert. Ede Becker „will den Kopf ebensowenig in den Sand stecken wie Manager Dohmen“ lässt Linder die KSC-Fans wissen, und nicht wenige verstehen diese Ankündigung mittlerweile als Drohung, die Schlimmstes für die kommende Spielzeit befürchten lässt.

 

Das Vertrauen in die Arbeit der Männerfreunde ist - nicht nur - in Kreisen der aktiven und organisierten Anhänger mittlerweile restlos aufgebraucht. Die SUPPORTERS KARLSRUHE machten ihrem Ärger letzten Mittwoch mit einem Schreiben an die KSC-Verantwortlichen in aller Deutlichkeit Luft. „Wir können sehr gut einschätzen,was da vor uns auf dem Rasen und hinter den Kulissen abläuft. Und es führt kein Weg an der Aussage vorbei: Es wurden und werden gravierende Fehler gemacht! (...) Seit der Mitgliederversammlung im September 2008 wird schon vorgebaut („notfalls mit Becker in die 2.Liga“) und Alibis werden vorgeschoben (Finanzen, Pech, Qualität, ...). Das frühzeitige Festlegen auf Personen und damit verbundene Jobgarantien nehmen den Leistungsdruck und die Verantwortung von Spielern, Trainer und Vereinsführung. (...) Wir fordern eine offene Auseinandersetzung auf allen Ebenen mit den hier angesprochenen Fragen und fordern alle auf, denen unser KSC am Herzen liegt: Macht mit! Redet, diskutiert und vor allem: Handelt dementsprechend!“. Zunächst an die gewählten Gremien, dann an die Mitglieder des Dachverbands der KSC-Fans ging diese Aufforderung, die Entwicklung des Vereins grundlegend zu diskutieren.

 

Doch offene Auseinandersetzungen scheut man im Wildpark, und den von den SUPPORTERS gewählten, internen Weg hat man im Präsidium präzise sofort verlassen. So ist Harald Linders Kommentar im KURIER vom letzten Freitag durchaus als Absage der Vereinsführung an seine kritischen Mitglieder und Anhänger zu verstehen, sich an irgendeiner Diskussion zu beteiligen. Als „Leichenfledderer“ und „profilierungsgeile Vereinsfunktionäre“ werden diejenigen im KSC-Umfeld beschimpft, die sich nicht Woche für Woche mit den gleichen Durchhalteparolen abspeisen lassen wollen und entgegen den derzeit Handelnden bereit sind, Personalentscheidungen dem Vereinsziel des maximal möglichen sportlichen Erfolgs unterzuordnen.

 

„Grenzenlose Arroganz“ wirft Linder den SUPPORTERS vor, die den Unmut ihrer Mitglieder in Form und Sache korrekt artikuliert haben, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit darstellen sollte. Für Harald Linder nicht, aus seiner Sicht eint alle Kritiker der Vereinsführung der niedrige Impuls, obwohl der Kampf gegen den Abstieg nicht vorbei sei „schon jetzt auf die Suche nach den Schuldigen“ zu gehen. Dabei überhört er bestenfalls in seinem heiligen Zorn, dass die Supporters von VERANTWORTUNG und ALTERNATIVEN, nicht von Schuld sprechen, ein entscheidender Unterschied. Denn die Verantwortung tragen nunmal die Verantwortlichen, und wenn ihnen die eines Bundesligafußballclubs obliegt, müssen sie sich auch an der in der Tabelle ablesbaren Leistungsbilanz messen lassen.

 

Die derzeit amtierende Führung des KSC hat ausgedient - sportlich, wirtschaftlich und ideell. Wie will ein Trainer, dessen Maßnahmen im laufenden Spielbetrieb zu einer Negativbilanz fast ohne Beispiel geführt haben, einer verunsicherten und von Niederlagen gezeichneten Mannschaft noch glaubwürdig zutrauen in das eigene Leistungsvermögen vermitteln? Wie will ein Manager, der sich in zwei Transferperioden nicht in der Lage sah, die Probleme des KSC vor dem Tor substantiell zu lösen, der nach der Niederlage gegen Bielefeld leichenblass seine Ratlosigkeit in die Fernsehkameras artikuliert, einen Neuaufbau in der Zweiten Liga angehen? Und wie will erst ein Präsidium, das in der Phase der Euphorie während und nach dem Aufstieg keine grundlegende Verbesserung der Einnahmen oder die Lösung der Stadionfrage vorantreiben konnte, unter den Bedingungen der akuten Wirtschaftskrise den Verein handlungsfähig halten?

 

Die SUPPORTERS schreiben, sie „wollen keine Schlammschlacht“, doch die Art und Weise der diskursiven Auseinandersetzung innerhalb eines Vereins orientiert sich wohl kaum am Willen einer der beteiligten Parteien. Der grundsätzliche Dissens im KSC ist nicht mehr im Status quo aufzulösen, die „Schlammschlacht“ ist so gesehen nicht erst seit dem Brief  und der Reaktion des Präsidiums darauf in vollem Gange. Wer jetzt noch den Konsens und einvernehmliche Lösungen sucht, wird mit Sicherheit die geringste Möglichkeit haben, seine Vorstellungen durchzusetzen. Es wird bestimmt hässlich werden in den nächsten Wochen, aber noch hässlicher wird es, wenn diesem Konflikt aus dem Weg gegangen wird.


In diesem Sinne: Wir müssen da durch. Traut euch was. Ihr wisst, wer ihr seid.

Freitag, 20. März 2009

Bitte keine Sensation!

Ein Gastbeitrag von ka-fans.de-Talker "Fliege"

Es tut sich etwas im Umfeld des KSC. Der seit Wochen, ja Monaten gärende Unmut bahnt sich langsam seinen Weg an die Oberfläche. Sehr zaghaft noch, und weiterhin konsequent niedergebrüllt und niedergeschrieben - aber er wird immerhin öffentlich wahrgenommen. Verwaltungsrat Lüppo Cramer kritisiert öffentlich Manager Dohmen und Trainer Becker, stellt beide Personen in Frage. Und er tut das - so hoffe ich jedenfalls - nicht nur aus eigenem Antrieb, sondern als Spitze einer Opposition, die sich zu formieren beginnt und dabei ist, sich in Stellung zu bringen, um eine echte Alternative zur derzeitigen Führungsmannschaft zu bilden.

Die Supporters als Dachverband der KSC-Fans haben ihre Haltung der bedingungslosen Unterstützung aufgegeben und begeben sich auf Konfrontationskurs zu den Verantwortlichen. Zu zaghaft für meinen Geschmack, jedoch muss man berücksichtigen, dass die dort handelnden Personen ebenfalls verpflichtet sind, eine konstruktive Atmosphäre aufrecht zu erhalten, wenn man mit den Vereinsoberen nach wie vor im Gespräch bleiben will.Wie gesagt, es tut sich was.

Immer mehr Leuten wird klar, dass der KSC in eine Situation hineinschlittert, wo der Abstieg aus der ersten Liga nicht mehr die eigentliche Katastrophe darstellt, sondern nur einen Akt in einem Untergangsszenario, dessen wahre Tragweite noch niemand wirklich einzuschätzen vermag. Der Stein, der da ins Rollen kommt, kann dem KSC langfristig helfen. Viel mehr, als es ein kurzfristiger sportlicher Erfolg im Moment könnte. Darum lautet mein Wunsch für das morgige Spiel beim FC Bayern: Bitte keine Sensation!

Ein überraschender, vermutlich dem Zufall geschuldeter Erfolg bei den großen Bayern, das Spiel gegen den direkten Konkurrenten aus Mönchengladbach vor der Brust, das könnte die (meiner Meinung nach trügerische) Hoffnung aufkeimen lassen, dass ja vielleicht doch noch nicht alles zu spät ist. Und bis zum unvermeidlich bösen Erwachen werden dieses Mal sogar zwei Wochen ins Land gezogen sein, in denen man aktiv etwas tun könnte, um beim KSC die Weichen für eine bessere Zukunft zu stellen.

Damit hier kein Zweifel aufkommt: Auch ich wünsche mir nach wie vor, dass der KSC erstklassig bleibt. Ich habe in meiner Zeit als KSC-Fan schon so viel Unglaubliches gesehen, dass ich sage: Dann zurück zu kommen, wenn wirklich niemand mehr einen Pfifferling auf den Klassenerhalt gibt, wäre mal wieder so ein Fall, wo man sagen würde: "Typisch KSC..."Dennoch glaube ich, dass - mittelfristig gesehen - ein Erfolg in München eher kontraproduktiv wäre. Und wer angesichts der aktuellen Gesamtsituation sagt, dass bei zehn ausstehenden Partien noch alles drin ist, der wird sich auch nicht entmutigen lassen, wenn es nur noch deren neun sind.

Und darum: Bitte keine Sensation!

Mittwoch, 11. März 2009

Vor dem Endspiel gegen Bielefeld.

Es ist schon bezeichnend, wie weit in diesen Tagen die öffentliche und die veröffentliche Meinung auseinanderfallen. Während die Fans, am Samstag in Ihrem Block und in den Tagen danach in Ihren Internetforen und Blogs, deutlicher und vor allem fundierter als je zuvor die Ablösung von Ede Becker fordern, stellt sich die regionale Tagespresse demonstrativ hinter den Trainer. „Der 52-Jährige (...) ließ seine Mannschaft keineswegs Beton anrühren. Im Gegenteil: Der KSC, der sich als intaktes Team zeigte, suchte von vielmehr von Beginn an seine Chance in der Vorwärtsbewegung und präsentierte sich gut eingestellt“. Das am Samstag tatsächlich passable Aufbauspiel des KSC schreibt Gerhard Wolff am Dienstag in den BNN Trainer Ede Becker zu, während er einen Verantwortlichen für die sechs torlosen Spiele nach der Winterpause sowie die verkorkste Hinrunde nicht weiter suchen möchte.

 

„Dass als erster Kandidat hierfür der Trainer gefunden wird, gehört zu den scheinbar unumstößlichen Gesetzen des Fußballs, ganz ungeachtet der Realitäten. Die Realitäten in Karlsruhe indes besagen deutlich anderes. (...)“ weiß dagegen schon am Montag Frank Ketterer vom BADISCHEN TAGBLATT. Erlauben wir uns an dieser Stelle einen kurzen Blick auf die Realität der Tabelle: Platz 18 mit einer Differenz von minus 22 Toren. An dieser Kennziffer war bereits wesentlich früher in der Saison das Leistungsvermögen abzulesen, davon konnten wir jedoch in keiner der regionalen Zeitungen etwas lesen. 


Statt dessen erstaunt Gerhard Wolff in seinem Bericht für die BNN mit seiner Antwort auf die Frage, wie „den Profis bis zum „Spiel der Spiele" (Becker) endlich das Toreschießen beizubringen ist." Man glaubt es kaum: „Kollektiv zum Psychologen werden die Akteure nicht geschickt (...)." Nein? Wir brauchen keine Hilfe von Profis, die sich mit gruppendynamischen Prozessen von Mannschaften und mentalen Blockaden von Spielern bei ausbleibendem Erfolg  auskennen? Und das, obwohl seit Wochen die Verantwortlichen im Wildpark nicht müde werden zu betonen, dass die Gründe für das Versagen vor dem Tor allein in den Köpfen der Spieler und nicht etwa in Training oder Taktik zu suchen sind? Man meint beim Lesen dieser Zeilen direkt das Gelächter der Beteiligten zu hören, als das Gespräch auf dieses Thema kam.


Doch selbst das Spiel gegen Wolfsburg hätte für den eher das Kurzzeitgedächtnis benutzenden Beobachter Anlass zur konkreten Kritik geben können. Denn warum wechselte Becker, obwohl seine Mannschaft durchweg das Spiel machte, aber im Strafraum bei Flanken (überraschend durchsetzungsfähig war Christian Eichner) mit nur einem Spieler präsent war, nicht schon zur Halbzeit einen zweiten Stürmer ein? Und warum wechselte er dann auch noch mit Toni da Silva den aktivsten Offensivspieler anstatt den erneut enttäuschenden Christian Timm aus? 

 

Nicht nur über die Realitäten auf dem Platz, auch über die KSC-Fans hat man im BT eine Meinung: „Edmund Becker stieg über die grün-weiße Werbebande und schleppte sich in nachdenklicher Haltung zur Fankurve. Dann hielt der Trainer des Karlsruher SC inne - und kehrte um. „Becker raus!”, brüllten die wilden Kerle in den blau-weißen Klamotten. Mit den szeneüblichen Schuldzuweisungen versuchten also die badischen Bruddler, ihren Frust loszuwerden.“ Ich weiß nicht, mit was sich der BT-Autor Karl Koslowski in seinem Berufsalltag sonst befasst, mit den gut organisierten und ausgesprochen kommunikativen KSC-Fans offenbar nicht. 


Mal abgesehen davon, dass ein Fanblock wohl kaum in der Lage ist, mehr als choral auf irgendeinen Spielausgang zu reagieren – ihre Meinung zu Ede Becker haben sich die Fans, und gerade die, die in dieser Situation bis nach Wolfsburg fahren, in den letzten Monaten durchaus fachlich, fundiert und hintergründig gebildet. Herrn Koslowski sind diese Kommunikationsprozesse offenbar fremd, und das spricht eher gegen ihn als gegen die Fans.

 

Die haben sich unterdessen mit Vertretern der Mannschaft getroffen, um dieser ihre Unterstützung zu versichern:

„Im Zuge unseres Endspieles am Samstag haben wir uns heute mit einigen Spielern getroffen. Aufgrund der Kurzfristigkeit konnten leider nur ein paar Spieler den Termin wahrnehmen. Bei dem Gespräch dabei waren Eichner, Langkamp, Stindl, Federico und Unger. Ziele unseres Gespräches waren folgende:

Erstens haben wir den Spielern klargemacht, daß sie nie auf Pfiffe von der Haupttribüne oder anderen Blöcken hören dürfen. Vor allem sollen sie sich davon erst gar nicht einschüchtern lassen. Wir, die Kurve, sind der Puls des Stadions und solange wir hinter den Spielern stehen, ist es auch nicht schlimm, wenn mal ein Schuss in die Wolken geht oder ein Pass ins Leere. Wichtig ist, daß sich die Spieler was zutrauen und wir werden das honorieren.

Zweitens wollten wir der Mannschaft vor diesem so wichtigen Spiel nochmals den Rücken stärken und von ihnen wissen, ob es irgendwas gibt, was die Fans tun können, um die Jungs nochmal so richtig zu pushen, so daß die paar Prozent Selbstvertrauen und Motivation, die momentan fehlen, vielleicht durch uns in die Köpfe der Spieler zurückkommen.

Jedenfalls wollten WIR nichts unversucht lassen, um mit aller Macht gegen den drohenden Abstieg zu kämpfen.

Die Meinung der Spieler war in diesem sehr ehrlichen und durchweg positiven Gespräch einhellig:

Eine geile Stimmung wie zu dem Bremen-Spiel, bei der wir die Mannschaft schon vor dem Spiel heiß sangen, das wäre es, was die Spieler wiederum total pushen würde. Schon beim Warmlaufen hat damals jeder in der Mannschaft gewußt, daß heute nur der KSC als Sieger vom Platz gehen wird.

Und genau das werden wir auch am Samstag machen.


Hier der Aufruf an ALLE KSC-Fans:

Geht so früh wie möglich in eure Blöcke und macht vor und natürlich während dem Spiel das, wofür Gott euch bestimmt hat.

Seid KSC-Fans und singt und brüllt für eure Mannschaft. Niemand soll (und wird) behaupten können, daß es an uns gelegen hat.

Sorgt dafür, daß möglichst viele Fans diese Zeilen lesen, damit auch diese Aktion ein Erfolg wird.“ 

(aus einer Rundmail der Fanzene)

Donnerstag, 5. März 2009

KSC - VfB Stuttgart 0:2

Achtung, dieser Beitrag fällt umfangreicher (und persönlicher) aus als gewohnt und besteht zu einem nicht unerheblichen Teil aus meinem Erlebnisbericht vom Sonntag - halten Sie durch, es lohnt sich. Auf die sportliche Analyse verzichte ich heute, ich denke die Mannschaft und vor allem dieVerantwortlichen geben derzeit ein allzu deutliches Bild ab, sodass mir eine Deutung durch meine bescheidene Stimme überflüssig erscheint. Im Übrigen verweise ich auf den Beitrag des ka-fans.de User „Fliege“, der in seinem „Offenen Brief an Herrn Dohmen“ alles sagt, was zu sagen ist. Und bitte denken Sie daran: Noch ist nichts endgültig verloren.

 

„Nach dem Schlusspfiff brannte der Wildpark“ betitelt das WOCHENBLATT am Mittwoch seinen Sportteil, im dazugehörigen Artikel kommen der gewohnt gut informierte Johannes Wagner und sein „Mitarbeiter“ Hartmut Mayer dann auch sofort auf den Punkt. Es wären „Szenen wie aus einem Katastrophenfilm“ zu sehen gewesen, ein „noch nicht gekanntes Ausmaß an Gewaltbereitschaft“ habe sich vor den Toren des Wildparkstadions aufgetan. Schnell und eindeutig sind auch die Schuldigen der Ereignisse ausgemacht: „Vor allem die Karlsruher „Fans“ zeigten sich als schlechte Verlierer. (...) von wegen Selbstregulierung (...) der im Kreuzfeuer der Kritik (ein in diesem Zusammenhang sehr passendes Bild, vielen Dank Herr Wagner, selten so gelacht) stehenden Ultras. (...) Wer in die Gesichter der Problemfans (der Ultras?) während der „Schlacht“ (schon wieder Anführungszeichen) blickte, sah oft sichtliche Freude an gezielten Übergriffen“. Erstaunlich, dass es - zumindest in Karlsruhe - bis Mittwoch dauerte, um die Ultras (also die Problemfans – oder andersherum?) in die Verantwortung zu nehmen. In einem von mir gerne frequentierten popkulturellen Internetforum wollten dies, an Krawallen Interessierte aus Dortmund und Hoffenheim, schon am Sonntag Abend gewusst haben.

In Darstellung und Beurteilung der Sachlage sind sich BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN, die überregionalen Tageszeitungen aus dem Qualitäts- und Boulevardsegment sowie die angeschlossenen Funk- und Fernsehkanäle einig, und wer nur irgendwie kann, äußert Betroffenheit und Empörung ob des Geschehenen. Schnell sind Schlagzeilen geschrieben, in der Sache folgt man blind einer Pressemitteilung der Karlsruher Polizei, kritische Nachfragen über Sinn und Zweck derer Maßnahmen bleiben aus. Denn Zeit ist Geld: Informationen sind Waren, sie müssen schnell und vor allem erfolgreich verkauft werden, dazu sollten sie in ihrer Struktur eher unterkomplex sein und inhaltlich möglichst dem Bild entsprechen, das die Mehrheit von den Verhältnissen sowieso schon hat. Die Damen und Herren der vierten Gewalt wollen ja auch von etwas leben.

Überraschenderweise macht an dieser Stelle der sonst eher biedere lokale Internet-Nachrichtenanbieter ka-news.de eine wohltuende Ausnahme, in dem er in zumindest einem Diskussionsbeitrag eine etwas andere Sicht auf die Dinge zulässt. Denn eins fällt auf: vergleicht man die Pressemitteilung der Karlsruher Polizei und die von ihr abgeleiteten Berichte in der Presse mit Beiträgen von Augenzeugen aus Internetforen und Blogs, sowie mit den auf youtube.com zur Verfügung gestellten Bilder, kommen schnell Zweifel am Gerede von den „scheinbar nicht zu verhindernden Ausschreitungen“, an der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel, und nicht zuletzt an der Zweckmäßigkeit des ganzen Einsatzes auf.

 

Die Busblockade

„(...) Rund 150 dieser Fans fielen vor dem Eingang Ost des Wildparkstadions erneut durch das Abbrennen von Pyrotechnik und durch Werfen von Flaschen und Gegenständen auf. Da sich zahlreiche Mitglieder dieser gewaltbereiten Gruppe zudem vermummten und dies auch nach mehrmaliger Aufforderung des Polizeieinsatzleiters nicht unterließen, wurde die Gruppe aus Stuttgart in Polizeigewahrsam genommen und noch vor dem Spiel mit Bussen abtransportiert.“ (Anmerkung: Ich denke nicht, dass es in jeder Situation notwendig ist, bestimmte Rechtslagen durchzusetzen. Man kann auch übergeordnete Einsatzziele definieren.)

Unterdessen versuchte eine Gruppe von 250 KSC-Anhängern den auf dem Adenauerring nahenden Mannschaftsbus des VfB Stuttgart anzugreifen. Die Polizei musste die Karlsruher Fans auch mit dem Einsatz von Polizeireitern zurückdrängen. Um eine mögliche Gefahr für Stuttgarter Spieler auszuschließen, nahm der beschädigte Mannschaftsbus mit einer Polizeieskorte einen anderen Weg ins Stadion.“

So die Darstellung in der Pressemitteilung der Polizei. Ich habe mich zu dem Zeitpunkt, als die Stuttgarter wohl die Pyrotechnik zündeten, wie viele KSC-Fans am „Nackten Mann“ befunden, der Bus der KSC-Mannschaft sollte hier gebührend empfangen werden. Plötzlich waren, man kann es nicht anders sagen, schwere Erschütterungen zu spüren. Die Stuttgarter Pyrotechnik muss heftig gewesen sein (daher die Knalltraumata der Beamten?) – wie viele andere zog es mich aus Neugier Richtung Eingang Ost, um ein Auge auf das Geschehen zu werfen. Nach und nach strömten immer mehr Neugierige Richtung Absperrung, mindestens hundert Fans standen bereits am Eingang hinter der Gegengeraden und kamen auch dazu. Die Polizei war hinter der Absperrung offensichtlich gerade dabei, die 150 Stuttgarter Fans wegen Pyrotechnik und des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot zu verhaften, es gab also objektiv „was zu sehen“. Da kam der Karlsruher Bus an.

Dieser wurde gefeiert und passierte die Menge, die nun auf der Straße stand. Und prompt kam auch drei bis vier Minuten später der Stuttgarter Bus an die Absperrung und genau an dieser Stelle wird es interessant. Denn die meisten Leute waren eher überrascht von dieser Situation und – zugegeben - durchaus belustigt sowie großmäulig. Ich habe mich die komplette Zeit an der vordersten Linie der Menge, die nebenbei bemerkt eher 500 als 250 Personen umfasste, aufgehalten, konnte aber bis auf eine Leuchtkugel, die noch vor der Absperrung runterging keiner Anzeichen von Angriffen auf den Bus erkennen. Von einem Zurückdrängen der Karlsruher Fans durch Reiterstaffeln war ebenfalls nichts, aber auch gar nichts zu erkennen.



Woher diese Information kommt, keine Ahnung – sie ist schlichtweg falsch. Sogar vereinzelte Stuttgarter Fans liefen die ganze Zeit (durch die Karlsruher Menge) in die Richtung „Nackter Mann“ und ich habe nicht gesehen, dass diese irgendwie angegriffen oder massiv angepöbelt wurden. Mein Punkt ist: der Eindruck, den die Polizei erweckt, dass nämlich 250 zu allem entschlossene und gewaltbereite Fans geplant den VfB-Bus angegriffen hätten oder dies wollten, ist absolut nicht haltbar. Vielmehr kamen einige Umstände zusammen, in deren Folge eben ca. 500 Zuschauer auf der  Straße standen und sich an der Absperrung versammelt haben. Geschenkt, dass diese Ansammlung auf den Stuttgarter Busfahrer nicht gerade einladend gewirkt haben kann.

Die BILD präsentierte auf ihrer Internetseite neben einem Video, dass die Angriffe auf den Bus dokumentieren soll –  aber nur zeigt dass eben dies gerade nicht passiert – auch schnell Bilder des schwer beschädigten Gefährts, wobei aber mehr als zwei kleine Dellen auch bei noch so starker Vergrößerung nicht auszumachen sind. Vermutlich verursacht durch zwei Bierflaschen. Das ist natürlich nicht schön. Dennoch: Geschosse aus Bürgerkriegsgebieten hätten hier sicher kapitaleren Schaden angerichtet. Ich habe im Prinzip kein Interesse daran, der Polizei Verbesserungsvorschläge zu machen, aber wäre beispielsweise der Eingang  hinter der Gegengerade geschlossen geblieben und die ganze Absperrung 200 Meter in Richtung „Nackter Mann“ gelegt worden – diese Situation hätte durchaus verhindert werden können.

 

Auf dem Birkenparkplatz

Nach dem Spiel und dem kurzen Applaudieren der Mannschaft, beim Hinuntergehen der Treppe hinter der Gegengeraden, war bereits eine Leuchtkugel zu sehen, die scheinbar von Seite der Stuttgarter Busse in Richtung Karlsruher Seite gefeuert wurde. Viele Zuschauer drängten sich den gewohnten Weg Richtung Durlacher Tor, und standen bald an der immer noch bestehendeN Absperrung. Gleichzeitig begann die Polizei, Stuttgarter Fans in Richtung ihrer Busse auf dem Birkenparkplatz zu drängen. Ein folgenschwerer Fehler – aber leider nicht der letzte an diesem Abend. Während also sehr viele Karlsruher in ihrem gewohnten Heimweg blockiert waren und die ersten Stuttgarter an ihren Bussen ankamen, sammelten sich durchaus Gewaltbereite, in der Mehrzahl aber doch eher Erlebnisorientete und vor allem junge Leute an der Absperrung am Birkenparkplatz. Schnell war etwas Rauch entfacht, Leuchtkugeln flogen (ich habe drei gezählt, die Youtube-Videos zeigen meiner Meinung nach  ich auch nicht mehr), ein paar (ich habe fünf gezählt, andere sprechen  von sechs) Verrückte, die tatsächlich versuchten, diese Absperrung zu überschreiten. Schauen wir uns aber auch hier die Videos von der Stuttgarter Seite an, so fällt auf, dass der Sicherheitsabstand offensichtlich groß genug war, um die Stuttgarter Zuschauer zu schützen.

 

Die Polizei entschloss sich nun, den Parkplatz zu räumen – und sorgte so erst recht für Gefahr. 15er Gruppen Einsatzkräfte, in Ketten sich bewegend, vermummt, schwer gepanzert und - tatsächlich - wild brüllend um sich schlagend, trieben nun die Masse zurück in Richtung Adenauerring, direkt auf die Wartenden zu. An dieser Stelle vermischte sich die Menge mit den weiter aus dem Stadion strömenden Menschen, und weiter zurück Richtung „Nackter Mann“. Es gab die ersten Verhaftungen durch nicht gerade zimperliche Zivilkräfte, die auch mit Stangen auf  am Boden liegende einschlugen. Hier begannen nun tatsächlich Einige aus der Menge im Rückzug mit Gegenständen zu werfen, ich selbst wurde nur knapp von einem Barhocker verfehlt. Allein – es gab kaum etwas zum Werfen.


 


Die Polizei rückte weiter vor, die Beamten brüllten, schlugen wild um sich – ein Teil der Menge konnte am „Nackten Mann“ auf die Seite weichen, während viele Zuschauer weiter von den Einsatzkräften in Richtung Mühlburger Tor getrieben wurde. Nochmal flogen 3 -4 Bengalos in Richtung Polizei. Ich selbst habe mich an ab diesem Punkt am „Nackten Mann“ aufgehalten und bin, nachdem sich dann die Lage an dieser Stelle langsam beruhigt hatte, an der Haupttribüne vorbei Richtung Schloß in die Stadt zurück.


Fazit

Ich bin mir absolut sicher, dass sich die Ereignisse vom Sonntag, unter Berücksichtigung der seit Jahrzehnten üblichen Menschenströme um das Wildparkstadion, durch klare Einsatzziele, eine flexiblere und weniger bornierte Einsatzleitung, durch eine bessere Vorbereitung und vor allem eine im Vorfeld weniger an der zu erwartenden Gewalt faszinierte Medienberichterstattung hätte verhindert werden können. Wären die Stuttgarter Fans, wie in Europapokalspielen üblich und vielen Karlsruhern von zahlreichen Auswärtsspielen ebenfalls bekannt, einfach noch 60 Minuten in ihrem Block oder zumindest im Bereich im Eingang Ost festgehalten worden, hätte sich gar nicht erst diese Menge auf dem Adenauerring bilden können, tatsächlich und unbedingt gewaltbereite Gruppen hätten schnell ohne Behelligung Unbeteiligter des Platzes verwiesen werden können. Wäre der Stuttgarter Mannschaftsbus von vornherein über das Mühlburger Tor zum Stadion geleitet worden, wäre es nie zu einer „Blockade“ gekommen. Es sind eben manchmal Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen.

Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, wären bestimmte Zuschauergruppen eben nicht gewaltbereit, sondern friedlich, verantwortungsbewusst oder einfach nur ein wenig älter und somit vielleicht charakterlich gefestigter, würden all diese hässlichen Sachen nicht passieren. Weit kommt man mit so einer Haltung aber nicht, die Welt sieht im übrigen Tag für Tag Schlimmeres und wären die Menschen eben anders als sie sind, bräuchten wir vermutlich keine Armeen, keine Polizei, Zäune und ABUS-Sicherheitsdoppelschlösser an Fahrrädern. Zielführend ist anders.

Erschreckend finde ich in diesem Zusammenhang vor allem die völlige Kritiklosigkeit der Medien, die offensichtlich völlig verlernt haben, kritisch nachzufragen. Warum der VfB-Bus trotz der angebliche heftigen Angriffsversuche zahlreicher Karlsruher gerade mal 2 kleine Dellen aufweist, hätte durchaus mal jemandem auffallen können. Nur so als Beispiel. Aber an einer stringenten Darstellung, einer schlüssigen Chronologie der Ereignisse scheint niemand wirklich interessiert zu sein. Gerade diese ist aber unerlässlich um eine tatsächliche Einschätzung der Lage zu bekommen und Widersprüche aufzudecken.

Es mag angesichts der hier beschriebenen Ereignisse verrückt klingen, aber eine Lehre des vergangenen Sonntag muß auch sein, die Bedürfnisse der organisierten und aktiven Fans in ihren traditionellen Formen der Fan-Clubs und ihren Ultra-Gruppen einfach wieder ernster und sie tatsächlich auch in die Verantwortung zu nehmen. Zu einem übergroßen Teil sind hier sehr intelligente, verantwortungsbewusste junge und alte Leute zu finden. Wenn ich lese, dass 150 Leute wegen Pyrotechnik und Vermummungsverbot festgesetzt werden, drängt sich doch die Frage auf, warum es nicht die Möglichkeit geben soll, diese kontrolliert und offen abzubrennen. In jedem Angelverein gibt es einen Gewässerwart, warum kann es nicht in Fan-Clubs einen, beispielsweise in der Freiwilligen Feuerwehr aktiven, Pyrotechnik-Wart geben. Diese könnten, gemeinsam mit Ordnern vor Ort und nach Absprachen, an dafür vorgesehenen und gesicherten Stellen eben diese Form der Stimmungsunterstützung  koordinieren. Das wäre nur ein möglicher Ausweg aus der derzeit doch etwas eingefahrenen Situation. Denkverbote helfen aber nicht weiter, mehr Polizei schon gar nicht.

 

Nachtrag

Während des Spiels, beklagt ebenfalls im WOCHENBLATT der  enorm meinungsfreudige Kolumnist KArle (genau, der mit der Kapp´) was eine „hoch gelobte Initiative „BLAU-WEISS statt BRAUN“ nutzt, wenn im Fanblock der faschistische Hohngesang „Schwaben sind zum Heizen da“ angestimmt wird. Ich kann hier nur für die Gegengerade sprechen, auf der eben dieser Gesang einmal aufkam und vom Vorsänger Daniel mit Hilfe des L-Block schnell und zielsicher durch andere Gesänge übertönt wurde. Genau das ist Konsens in der aktiven Szene, der immer wieder neu ausgehandelt und erkämpft werden muss – dank auch der Stimme der Initiative „BLAU-WEISS statt BRAUN“.