Donnerstag, 30. Oktober 2008

Keine Aufregung.

Die Tabelle lügt nicht, man muss sie nur manchmal gegen den Strich lesen, um aus ihr Schlau zu werden. Das tun mit Sicherheit auch die sportlich Verantwortlichen beim KSC dieser Tage, ob sie daraus auch Konsequenzen ziehen scheint eher fraglich: „Vier Niederlagen in Serie: Aus dem Favoritenschreck der vergangenen Saison ist ein beliebter Aufbaugegner für angeschlagene Bundesliga-Rivalen geworden. Aber die Verantwortlichen des Karlsruher SC geben sich nach außen unaufgeregt.“ So titelt gestern der SWR auf seiner Internetseite eine Meldung, deren eigentlicher Gehalt in der Aufforderung von Manager Rolf Dohmen an die Fans besteht „(...) uns anzufeuern und (...) sich keine Gedanken über das Spielsystem (zu) machen", sowie der Versicherung an die weltweite Fußballpresse: „An der Position von Ede Becker kann keiner rütteln. Was er hier in zweieinhalb Jahren gemacht hat, kann nicht auf einmal schlecht sein."

Da aber dieser Tage niemand im Wildpark ernsthaft an der Position von Ede Becker rüttelt, schreibe ich diese überraschende Aussage der Fragestellung eines SWR-Journalisten zu und wundere mich über die Zurechtweisung der Fans. Diese haben in den letzten Wochen die von Rolf Dohmen zugedachte Rolle der lautstarken Unterstützer hervorragend gespielt. Ganz im Gegensatz zu den Adressaten der „Anfeuerung“, deren Ergebnisse nach 27 Spielen im Jahr 2008 schlicht und ergreifend denen der Absteiger nach 27 Spieltagen der vergangenen 3 Spielzeiten gleicht.

Die Zahlen für das Jahr 2008:
27 Spiele, 15 Niederlagen, 6 Siege, 6 Unentschieden =
24 Punkte

Diese Bilanz
entspricht nach 27 Spieltagen in der
Saison 07/08 dem
16. Platz
Saison 06/07 dem
18. Platz
Saison 05/06 dem
17. Platz
(Diese Mannschaften sind am Ende der Saison auch abgestiegen.)

Entscheidend bei der Beurteilung des „tatsächlichen“ Tabellenstand ist das
Torverhältnis, das in aller Regel am Ende einer Saison dem Tabellenstand entspricht.
Torverhältnis 17. Spieltag 2007: 19:21 (-2)
Torverhältnis 34. Spieltag 2008: 38:53 (-15)
Torverhältnis Rückrunde 07/08: 19:32 (-13)
Torverhältnis Hinrunde 08/09: 8:16 (-8)

Torverhältnis gesamt 2008: 27:48 (-21)
Die einzige Mannschaft, die in den letzten 3 Jahren mit einer schlechteren Tordifferenz nach 27 Spieltagen nicht abstieg ist Arminia Bielefeld.

Weiter so?
Vor diesem Hintergrund sollte es also es zumindest erlaubt sein offen darüber nachzudenken, ob das, was hier in den letzten zweieinhalb Jahren gemacht wurde, heute noch das richtige ist. Und genau DAS vermisse ich derzeit beim KSC. So ist der zuletzt immer wieder geäußerte Hauptgedanke von Ede Becker, der sinngemäß lautet
„Wenn wir erstmal wieder ein Tor schießen kommen auch die Ergebnisse“ vor dem Hintergrund dieses Jahres nur die halbe Wahrheit. Denn auch in der Rückrunde der letzten Saison schoß der KSC immerhin 19 Tore, kam aber dennoch über 15 Punkte nicht hinaus - auch mit dieser Punktzahl zur Halbserie sind vergangene Saison 2 Mannschaften abgestiegen.

Probleme
Zuviel läuft derzeit schief im Spiel der Blau-Weissen. Das auffälligste Problem der letzten Wochen ist für mich ein Loch. Dieses, ich nenne es das
Karlsruher Loch, entsteht regelmäßig bei gegnerischem Ballbesitz in der Zone 20 - 40 Meter zentral vor dem Tor. In dieser sollten die Doppelsechser den ballführenden Gegner attackieren, während die Innenverteidigung die Passwege in den Strafraum zustellt bzw. Anspielstationen abdeckt. Im Karlsruher Loch nehmen aber gegnerische Spieler fahrt auf, zwingen immer wieder unsere Innenverteidigung auszurücken und schaffen so den Raum für gefährliche Vorstöße in den Strafraum.

Nicht nur gegen den Ball, auch im Spiel nach vorne lässt die
Raumaufteilung zu wünschen übrig. So rückt die Mannschaft bei Ballbesitz nicht konsequent nach bzw. auf. Josh Kennedy wird von Iashvili zu oft vergeblich im Strafraum gesucht (er ist noch auf dem Weg dahin), vom Gegner abgewehrte Flanken finden in der zweiten Reihe kaum mutige Abnehmer die den Abschluß suchen.

Hinzu kommen derzeit nicht für möglich gehaltene
technische Probleme und mangelnde Präzision. Im modernen Hochgeschwindigkeitsfußball kommt es auf Sekundenbruchteile an, wertvolle Zeit, die wir mit dem Bemühen vergeuden, den Ball unter die Kontrolle zu bringen, anstatt mit dem Pass zum nächsten freien Mitspieler.

Weiter verwundert regelmäßig die mangelnde
Einstellung der Mannschaft. Wir benötigen in jedem Spiel midestens 15 Minuten um „Wettkampfhärte“ zu erreichen, spätestens 10 Minuten vor Abpfiff fällt diese wieder ab. Mannschaften wie Schalke, Hoffenheim und Leverkusen schießen in dieser Zeit 2 Tore. Auch diese Zeit haben wir nicht. Ich sehe aber darauf keine Reaktion des Trainerteams. Sämtliche Routinen beim Abschlusstraining sowie Warmmachen vor dem Spiel bleiben immer die gleichen, neue Reize sind nicht zu erkennen.

Oder resultiert dieses Problem eher aus dem kleinen
Kader? Es findet scheinbar kaum ein Konkurrenzkampf statt. Welcher Spieler aus der 2ten Reihe ist denn „nah an der Mannschaft“, hat die Perspektive durch entsprechende Trainingsleistungen Einsätze zu bekommen? Im Moment keiner. Der Druck auf die Stammelf hält sich so in Grenzen.

Systemfehler?
Aus all diesen Mängeln läßt sich nicht zwingend auf einen Fehler im System schließen, wenn dieses aber ein Jahr lang nicht erfolgreich umgesetzt wird sollte es zumindest auf den Prüfstand gestellt und auf seine Tauglichkeit untersucht werden. Dennoch hören wir derzeit weiter nur Durchhalteparolen. Vor dem schweren Gastspiel bei den Hoffenheimer Himmelsstürmern am Samstag forderte der 52-Jährige (also Becker): "Wir müssen uns das Selbstvertrauen wieder erarbeiten und erkämpfen." Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, aber ob Selbstvertrauen alleine weiterhilft und WIE es sich die Mannschaft erarbeiten will bleibt rätselhaft.

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