Sonntag, 30. August 2009

KSC - St. Pauli 0:4

Gellende Pfiffe bereits während des Spiels, lautstarke „Dohmen raus!“-Rufe, die nicht mehr einer Minderheit der üblichen Verdächtigen angelastet werden können und Spieler, die sich von wütenden Zuschauern provozieren lassen: Es wird immer enger für die Mannschaft und ihre Verantwortlichen im Wildpark. Das Versäumnis, nicht bereits in der vergangen Saison eine Korrektur des sportlichen Kurses vorgenommen zu haben, belastet nun schwer die Akteure auf und neben dem Spielfeld, zu offensichtlich waren bereits vor Monaten die sportlichen und strukturellen Probleme des KSC, als dass der Verein nun auf die Nachsicht des Anhangs im Angesicht des fortwährenden Mißerfolgs hoffen dürfte.

Hatte die Entlassung von Becker und die darauf folgende Trainingswoche unter Kauczinski mit dem Sieg in München scheinbar einen befreienden Effekt auf das fußballerische Potential der Mannschaft, zeigte sich nun im Spiel gegen St. Pauli, dass es wohl mehr wie die von Vizepräsident Steidl wiederholt geforderte „Geduld“ benötigen wird, um die hoch gesteckten Ziele zu erreichen und die Erwartungen des Umfeldes zu befriedigen. Zur Erinnerung sei hier angemerkt, dass noch vor gut vier Wochen die sportliche Leitung Zuversicht und Optimismus zum bevorstehenden Saisonstart demonstrierte, einen Platz im oberen Tabellendrittel als Saisonziel ausgab und - trotz der einschlägiger Erfahrungen in der Vergangenheit - 20.000 Aufkleber mit der Parole „Aufstiegszone – durchstarten erlaubt“ bedrucken ließ.

Die bescheidenen Mittel jedoch, die der „Interimstrainer“ seinem Team in den wenigen Tagen seiner Amtsführung mitgeben konnte, reichten nicht aus, um mit einer enorm selbstbewussten, vor allem in ihrer Spielstärke beeindruckenden St. Pauli-Mannschaft über die volle Distanz zu konkurrieren. Gelang es in München durch vertikale Pässe in der Sturmzentrale für Torgefahr zu sorgen, stellten diese am Freitag für die wachsame Hamburger Innenverteidigung kein Problem dar. Zaghafte Versuche, stattdessen über die Flügelpositionen ein Spiel aufzuziehen, scheiterten an der dort schnell hergestellten Überzahl des Gegners. Betrachtet man die vier gelungenen Aktionen des KSC in diesem Spiel, davon je zwei vor und nach der Halbzeitpause, lässt sich ableiten, woran es gemangelt hat: Laufbereitschaft im Spiel ohne Ball, Antizipation, Schnelligkeit und Präzision. Eine Einzelkritik verbietet sich, denn: Versagt das Kollektiv derart geschlossen spielt es keine Rolle wer nun mehr oder weniger unter seinen Möglichkeiten bleibt.

So nahm Kauczinksi seine Mannschaft nach dem Spiel zwar gegen Vorwürfe in Schutz, es habe ihr am Willen gefehlt, sprach aber deutlichst die Probleme und Aufgaben an, die einen zukünftigen Übungsleiter im Wildpark erwarten. „Vieles in dieser Mannschaft ist nicht gefestigt. Da gibt es keine Strukturen oder Hierarchien, wo man ansetzen kann. Dieses Team braucht Zeit und ein neuer Trainer braucht Geduld, um diese Mannschaft, die durchaus Potential hat, zu formen und entwickeln“. Es ist der „Interimstrainer“, der endlich offen die Folgen der monatelangen Fehlentwicklungen anspricht und der damit indirekt auch Erwartungen und Ziele des Vereins korrigiert. Für die kommenden Wochen wäre es nicht das Schlechteste diese auch von offizieller Seite neu zu bestimmen, denn wo zunächst Grundlegendes neu erarbeitet werden muss sollte man sich zuerst einmal nach unten hin absichern.

Mit Ede Becker ist bereits ein Verantwortlicher des sportlichen Status Quo seines Amtes enthoben, der andere, Rolf Dohmen, sucht derzeit immer noch nach einem neuen Cheftrainer. Ob er, der entgegen aller Warnungen und Kritik aus Umfeld und Verwaltungsrat während der letzten Saison an seinem Kurs festhielt, in Erwartung der bevorstehenden Neuwahlen des Präsidiums der richtige Mann für diese richtungsweisende Aufgabe ist, darf mehr als stark bezweifelt werden. Zunächst einmal sollten die Mitglieder in der Führungsfrage entscheiden und bis dahin Markus Kauczinski weiter das Training leiten. Das dürfte mit Sicherheit auch der DFL zu vermitteln sein.

Dienstag, 25. August 2009

1860 München - KSC 1:3

„Ich weiß schon, was ich will, welchen Fußball ich sehen möchte.“ Es liegt in dieser Aussage wahrscheinlich eben jener Unterschied begründet, den Markus Kauczinskis Arbeit zu der Ede Beckers ausmacht – die sich zuletzt eher in dem Satz „Ich weiß schon, wen ich Fußball spielen sehen möchte“ zusammenfassen lässt. Wer diese Woche die Trainingseinheiten nach der längst überfälligen Entlassung des „treuen“ aber erfolglosen Cheftrainers beobachtet hat, dürfte während des Spiels gegen die Münchner Löwen das eine oder andere Déjà-vu-Erlebnis gehabt haben.

Immer wieder ließ Kauczinski in den letzten Tagen das Verschieben mit und gegen den Ball, das Annehmen und direkte Weiterspielen, die langen Bälle in die Spitze üben. Immer wieder schaltete er sich direkt in die Übungsformen ein und stoppte diese, sobald die Konzentration bei dem einen oder anderen Akteur nachließ. Glasklare Ansagen, konstruktive und vor allem zeitnahe Kritik und immer wieder der Hinweis auf bessere Lösungsmöglichkeiten für die gerade vorliegende Spielsituation mit direktem Bezug zum erwarteten Spiel der Münchner kamen bis hinter den Zaun des Trainingsplatzes an, und somit wohl auch in die Köpfe der Spieler. Bis in das Abschlusstraining hinein testete Kauczinski verschiedene personelle Varianten in Mittelfeld und Abwehr, sodass sich kein Spieler ob des sicheren Platzes in der Startelf mit dem Kopf anderen Dingen zuwenden konnte.

Konzentration, Antizipation, Schnelligkeit und sauberes Spiel forderte der „Interimstrainer“ wiederholt von seinen Spielern ein, und deutlicher als durch das Gegentor konnte es gestern seinen Schützlingen wohl nicht vor Augen geführt werden, wohin es führt, fehlt nur einer dieser Parameter im eigenen Spiel. Mit dem schlampigen Ballverlust von Stindl, dem verspäteten und halbherzigen Einrücken von Demirtas sowie dem wiederholt lustlosen Stören von Dripic wird sich die Mannschaft heute in der Nachbetrachtung sicher noch einmal auseinandersetzen müssen. Beherzigten sie aber die genannten Tugenden, schien auf einmal eine Mannschaft auf dem Platz zu stehen, die erstmals seit langem eine kollektive Idee vom systematischen Erreichen des Torerfolgs hatte und in der die einzelnen Akteure sich ihrer individuellen Aufgaben bewusst waren.

Inwiefern dieses neue Auftreten der Mannschaft nun tatsächlich auf die Arbeit von Kauczinski zurückgeführt werden kann, und/oder welchen Anteil die „Befreiung“ vom in der Mannschaft zuletzt ungeliebten Ex-Trainer für das gezeigte Engagement hatte, bleibt vorerst offen. Fakt ist jedenfalls, dass die Umstellungen gegriffen haben, der Systemwechsel auf 4-4-2 das Offensivspiel für den Gegner wesentlich unberechenbarer machte und es dem KSC im Spiel gegen den Ball gelang, die Räume effektiv zu verengen. Und auch neben dem Platz konnte Kauczinski durch schlichte aber klare Aussagen, die eher die eigenen Stärken als die des Gegners unterstrichen und kaum für die Mannschaft als Alibi taugten, überzeugen.

Ganz im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten Rolf Dohmen. Der mittlerweile physisch vom Kampf um seinen Job immer deutlicher gezeichnete Manager sorgte bereits vor dem Spiel für Irritation, als er erneut und wider aller Erkenntnisse der letzten Wochen in „mangelnder Geschlossenheit“ den hauptursächlichen Grund für den sportlichen Niedergang der letzten Monate ausmachte. Zur Halbzeitpause verlor er dann kurzfristig die Fassung ob des erstaunlich gut vorbereiten Sky-Reporters, der die auf der Hand liegende Frage formulierte, warum Christian Timm in den letzten zwei Jahren nicht einmal als Sturmspitze eingesetzt wurde.

Dass Dohmen nun mit dem Anforderungsprofil „Er muss sich mit dem KSC identifizieren, Strukturen akzeptieren und darf nicht gleich neue Spieler fordern“ auf Trainersuche geht, zeigt mehr als deutlich, dass es in der sportlichen Leitung mit einer selbstkritischen Aufarbeitung der letzten Monate nicht weit her ist. Hier wird nicht nach einem kreativen Kopf gesucht, dessen tägliche Arbeit auf dem Trainingsplatz unter Umständen auch personelle und strukturelle Konsequenzen nach sich ziehen würde, sondern nach einem Sachzwangverwalter, der sich in die bestehenden Verhältnisse möglichst geräuschlos einzufügen bereit ist. Und sein Gesichtsausdruck eines beim Wassereisklauen erwischten Schulbubs auf die Frage, ob Petrik Sander ein Thema für den KSC sei, dürfte dem einen oder anderen KSC-Fan in Schrecken versetzt haben.

Das Rücktrittsangebot Dohmens, sollte es denn, wie „exclusiv“ im sky-Interview gestern verkündet, tatsächlich vor sechs Wochen vom Präsidium abgelehnt worden sein, stellt in diesem Zusammenhang eine weitere, fahrlässig vergebene Chance auf einen tatsächlichen Neuanfang dar. Zu hoffen bleibt derzeit nur, dass es tatsächlich durch eine Terminverschiebung zu einer satzungsgemäßen Mitgliederversammlung noch im September kommt, bei der zunächst die Verhältnisse im Verein geklärt werden könnten, bevor hier eine am Ende ihrer Möglichkeiten angekommene Vereinsführung noch Verträge unterzeichnet und damit Weichen für eine Zukunft stellt, die bald auf einem Abstellgleis endet.

Montag, 10. August 2009

KSC - Alemannia Aachen 1:1

Die erste Misstimmung kam im Wildpark bereits vor dem Anpfiff auf, ungewohnt lange mussten die umsitzenden Zuschauer auf ihr Bier anstehen, überforderte Arbeitskräfte an den Zapfstationen verweigerten den durstigen Seelen sogar das gewünschte Colabier – „Des isch mir jetzed zu schtressich!“. Zugegeben, ungewohnt heiß gab sich der erste Spieltag der Zweiten Liga, dennoch möchte man lieber nicht wissen, wieviele Euro statt im Wildpark in den Taschen der Anhänger blieben. Aber wer weiß schon, für was das gut war.

Denn recht bald nach Anpfiff benötigte das Publikum seine geschärften Sinne, um sich nicht in der vergangen Saison zu wähnen. Gerade mal zwei der insgesamt acht Neuzugänge (darunter mehrere Wunschspieler der Sportlichen Leitung und Kräfte, um deren Verpflichtung wochenlang gerungen wurde) durften von Beginn an aufs Feld, und Schäfer auf links sowie Tarvarjärvi allein in der Spitze taten alles daran, sich schnell in das aus dem letzten Bundesligajahr gewohnte Bild auf dem Rasen zu fügen. Fehlen Tarvajärvi eigentlich nur noch die langen Haare, um dem legendär glücklosen Australier nicht nur in Motorik sondern auch in der Physis vollends zu gleichen, sind es bei Schäfer leider die aus Mut zum Zweikampf bei Ballbesitz hervorgegangen offensiven Akzente, die Christian Eichner - trotz aller Unzulänglichkeiten dabei - auszeichneten.

So lief das Spiel, in der Anfangsphase vom Engagement Alexander Iashvilis getragen, zunächst wie gewohnt mit guten Ansätzen, verflachte aber bald auf Seiten des KSC durch die strukturelle Beschränkung auf die Defensive. Die von Becker später kritisierten ungenauen Zuspiele resultierten immer wieder aus einem Mangel an Anspieloptionen und Laufarbeit in der gegnerischen Hälfte, letztendlich an zuwenig Personal vor dem Ball. So hatten es die Aachener keine größere Mühe ihr Spiel zu machen, nämlich geduldig auf einen Fehler der Gastgeber zu warten.

Und es war erneut ein Rückstand, der Becker zum Handeln zwang, ein Umstand übrigens, der seiner Wahrnehmung als aktiver Lenker der Karlsruher Geschicke nicht gerade förderlich ist. Bereits zum Ende der ersten Halbzeit deutete Christian Timm sein bekanntes Phlegma mehr als deutlich an, auf seiner Position bestand in der Pause längst Handlungs- und somit Wechselbedarf. Die Schlussviertelstunde zeigte dann deutlich: in diesem Spiel wäre mehr dringewesen.

Aber nicht nur im Personal, seiner räumlichen Ordnung und der Dramaturgie der Spiels waren Paralellen zur vergangenen, erfolglosen Runde auszumachen, auch die Äußerungen von Ede Becker im Vorfeld des Spiels gemahnten an überwunden erhoffte Tage. Den Gegner stark reden („Diese Alemannia kann aufsteigen“), die eigene Initiative schwächen („Wir dürfen uns nicht auskontern lassen“) und Kritik an der eigenen Arbeit diskreditieren („Kritik ist legitim. Aber es darf nicht ins Extreme abdriften. Das ist wohl auch der Zahn der Zeit“) waren schon im Abstiegsjahr die immer wiederkehrenden Inhalte der Verlautbarungen des Cheftrainers.