Sonntag, 27. April 2008

Vorwärts!

Erschöpfte Gesichter wohin man schaute. Auf dem Rasen wie auf den Rängen - Akteure und Publikum zeigten sich schnell einig: das 3:3 Unentschieden gegen die Spitzenmannschaft aus Bremen darf als ein gefühlter Sieg ins kollektive Gedächtnis des Wildpark eingehen. Folgerichtig feierten die Fans auf der Gegengerade dieses herausragende Fußballspiel - "Iron" Mike Franz als Anchorman auf dem Zaun - mit einem Humba der längeren Sorte.


Gerade einmal 36% Ballbesitz
(bundesliga.de) genügten dem KSC um drei sehenswerte Treffer zu erzielen, von denen zumindest die letzten beiden den Anspruch erheben dürfen, ganz oben auf der noch zu erstellenden Top 5 Liste der schönsten Tore dieser Saison zu erscheinen. Ein ganz herzlicher Glückwunsch an dieser Stelle an Edmond Kapllani, der seine bisher beste Leistung in dieser Saison mit dem heiß ersehnten ersten Saisontreffer krönen konnte.

Die Zuschauer im ausverkauften Wildparkstadion sahen ein Spiel, welches den älteren unter ihnen für die kommende Woche einigen Gesprächstoff im Freundes-, Familien- und Kollegenkreis, den jüngeren Anhängern (und Anhängerinnen!) faszinierende Tore zum Nachspielen auf den Bolz- und Sportplätzen in Stadt und Land geboten haben dürfte. Und an genau dieser Stelle wird es politisch. Denn die Diskussion um den Umbau des Wildparkstadion, an dessen Realisierung die langfristige Perspektive von Bundesligafußball in Karlsruhe gebunden sein sollte, brachte in den letzten Wochen neben viel Verwirrung vor allem ein Dilemma zum Ausdruck.

Rückschau
In der Wochenendausgabe der BNN vom 12. April 2008 diskutierten unter der bereits vollständig tendenziösen Überschrift "Steuermillionen für KSC-Stadion?" der stellvertrende Chefredakteur eben dieser Zeitung Rainer Haendle und die Leiterin der Redaktion DER SONNTAG Annette Borchardt-Wenzel das Für und Wider einer Investition der Stadt Karlsruhe in den Umbau des Wildparkstadion. In dieser "Streitpunkt" benannten Kolumne, bemüht Frau Borchardt-Wenzel um eine dramatische Beschreibung der aktuellen Lage. Tenor: die Stadt errichte dem millionenschweren "König Fußball" einen "Palast", um dessen Willen die "nachhaltige" Lebensqualität in der Stadt zu sinken und "in den Schulen der Putz" zu bröckeln drohe.

Nur eine Woche später darf sich OB Fenrich im von ihr geleiteten SONNTAG unhinterfragt als Fußballfan inszenieren, seine neuen Zahlen ohne Angaben der Quelle präsentieren, und vor allem sämtliche Verzögerungen in den Bemühungen um den Umbau dem KSC und seinen "Wünschen" sowie der DFL und ihren "Auflagen" in die Schuhe schieben. 
Mittlerweile hat der KSC reagiert, und konnte wohl die Verantwortlichen der meisten Fraktionen im Gemeinderat überzeugen, daß der Umbau inklusive sämtlicher für den Bundesligabetrieb zu berücksichtigenden Anforderungen zum angepeilten Preis möglich ist. Um eine grundsätzliche Frage drückt man sich im ganzen Theater aber weiterhin: die der politischen Legitimierung des Projekt "moderner Wildpark".

Wem gehört der Wildpark?
In einer immer mehr in unterschiedliche Lebenswirklichkeiten auseinanderdriftenden  Gesellschaft bietet kaum eine andere Veranstaltung den "Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Karlsruhe" (Heinz Fenrich), über alle Alters-, Klassen- und Milieugrenzen hinweg, unabhängig von sonstigen kulturellen Präferenzen und Bildungshintergrund, einen gemeinsamen Erfahrungshorizont an wie die Bundesligaspiele des Karlsruher SC. Deshalb ist es politisch legitim, das die Stadt Karlsruhe Millionenbeträge in den Erhalt dieser Veranstaltung in Karlsruhe investiert. Es geht hier nicht um ein neues Stadion für den KSC - der wird in Zukunft der Mieter sein, und zwar ein zahlender - sondern um ein neues Stadion für die Stadt Karlsruhe, für ihre Bürgerinnen und Bürger. Dies gegen andere, mit Sicherheit genauso wichtige und notwendige Investitionen in Bildung, Soziales und Infrastruktur aufzurechnen ist unredlich, Frau Borchardt-Wenzel!

Die Lizensierung der DFL für die kommende Saison mit ihren Auflagen in den Bereichen Medientechnik und Infrastruktur für den KSC sollte den handelnden Personen Ansporn sein, jetzt wirklich schnell und konsequent das Projekt Umbau voranzutreiben. Und das nicht auf koste es was es wolle, sondern zu einem realistischen Preis, der finanzielle Rahmen ist ja gesteckt. Billiger wird es in Zukunft vermutlich nicht mehr.

Montag, 14. April 2008

Über Leidensfähigkeit.

Viel Holz zeigte die Empore der Gegengerade am Samstag in den letzten Minuten des Spiels gegen Hansa Rostock. Den erfolgreichen Abschluss eines Konterangriff zum 1:2 durch Fin Bartels in der 84. Spielminute verkrafteten einige Fußballbegeisterte nicht. Verärgert verließen sie ihre Plätze, um so ihren Unmut über den Verlauf der Partie zu demonstrieren.

Dies aber nicht wirklich überraschend.  Schon früher in der Begegnung wurde deutlich, dass nicht mehr alle Zuschauer im Wilpark bedingungslos hinter "ihrer" Mannschaft stehen. Bereits in der ersten Hälfte konnten Pfiffe nicht mehr als vereinzelt wahrgenommen werden, eine gewisse Verunsicherung auf dem Platz nach dem Spielverlauf nicht entsprechenden 0:1 schlug auf die Tribünen über. Die Angst vor einer erneuten Niederlage gegen einen Abstiegskandidaten machte sich breit und so ungenauer und glückloser die Karlsruher Angriffe verpufften, so unversöhnlicher reagierten Teile des Publikums.

Erinnerungen an das Spiel in der Veltins-Arena auf Schalke wurden beim Autor wach, wo nach dem 2:0 Siegtreffer duch Christian Timm 10 Minuten vor Spielende die sonst so hoch gelobten und mit vorgeblich religiösem Fanatismus ausgestatteten Gelsenkirchener Fans in Scharen "ihrer" Mannschaft den Rücken kehrten und sich auf den Heimweg resp. in die Kneipen machten. Schwer irritiert von solcher Wankelmütigkeit, aber auch schwer euphorisiert von der damaligen Erfolgswelle war ich mich sicher, so etwas in "unserem" Wildpark nicht erleben zu müssen.

Erfahrungshorizonte
Nun schlug am Samstag die Wirklichkeit zurück. Der Kredit, den die Mannschaft sich in der Aufstiegssaison und der Hinrunde beim Karlsruher Publikum erspielte scheint, zumindest zum Teile aufgebraucht. Die Spielfreude, die vielen Tore und überraschenden Siege, die mediale Aufmerksamkeiten, die die badische Fußballseele in den letzten eineinhalb Jahren streichelten, scheinen einer Ahnung von der Wiederkehr des speziellen KSC-Leidensdruck zu weichen.

Die Erfahrung, diesem am erfolgreichsten durch eine gemeinsame, bedingungslose Unterstützung der Mannschaft - gerade in Zeiten, in denen der Erfolg ausbleibt - zu begegnen, teilen nicht mehr alle die dieser Tage in den Wildpark pilgern. Die Jahre des Abstiegskampf in der Zweiten Liga haben eben viele nicht mitgemacht, für sie ist der KSC eine Erfolgsgeschichte der letzten 2 Jahre.

Eine glänzende Reaktion auf diese Entwicklung zeigten am Samstag Teile der Gegengerade, als sie, in Entgegnung eben der Pfiffe zur Halbzeitpause, ein Signal pro Unterstützung der eigenen Mannschaft setzte, und auch nach dem Spiel dieser den Applaus nicht verwehrte und sie in allen Ehren in die Kabine entließ. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle dem engagierten Vorsänger auf dem Zaun, der wieder einmal seiner Verantwortung in dieser Position voll gerecht werden konnte und im besten Sinne Einfluß auf das Geschehen in der Kurve nahm.